Rede des Preisträgers

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Rachid al-Ghannouchi

Rede anlässlich der Verleihung des Ibn Rushd Preises an ihn

am 5. Dezember 2014

Im Namen Gottes des Barmherzigen und Gnädigen

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Ibn Rushd Fund für Freies Denken und begrüße die Herrn Diplomaten, die Denker, Studenten und Journalisten und richte meinen Gruß auch an die Bundesregierung, die eine Stätte für diese Auszeichnung bietet und diese kreative Organisation auf ihrem Boden wirken lässt. Ich bedanke mich bei Ihrem Verein dafür, dass Sie mich mit dieser Auszeichnung ehren, die ich nicht nur als Auszeichnung für meine Person begreife, sondern auch als eine Auszeichnung für Tunesien, von wo der Arabische Frühling seinen Ausgang nahm, sowie eine Ehrung für alle Märtyrer der Revolution, insbesondere Muhammad Bouazizi, der nicht nur sich selbst anzündete, sondern auch die tyrannischen Regime in der arabischen Welt niederbrannte.

Meine Damen und Herren, ich darf sie ganz herzlich begrüßen und mich für diese Ehrung bedanken. Es ist eine Ehrung des arabischen Denkens – die Preisträger vor mir haben ihrerseits bewiesen, dass die Araber immer noch ein Teil der Geschichte sind, und dass Ibn Rushd (Averroes) auch in der arabischen Welt, und nicht nur im Westen, Nachfahren und Anhänger hat, die seinem Vorbild nacheifern….. Ibn Rushd entstammte der Dynastie von Andalusien, die die Welt des Mittelalters mit ihrem Licht erhellt und bedeutende Brücken gebaut hat, um die arabische und islamische Zivilisation nach Europa – dem mittelalterlichen Europa – zu bringen. Ibn Rushd, der große Universalgelehrte, der weise Philosoph und islamische Gelehrte – sein freies Denken stieß auf verschiedene Art und Weise auf Widerstand, trotzdem verharrte er und hat es geschafft, in die Geschichte einzugehen – Ibn Rushd, der auch die tunesische Revolution auf die eine oder andere Weise inspirierte, denn letztendlich ist sie ein Ausläufer des Freien Denkens von Ibn Rushd und Ibn Khaldun,… Ibn Rushd hat in seiner Philosophie die Grundlagen des Denkens bekräftigt, die wir heute auch beim Aufbau eines demokratischen Staates in Tunesien brauchen,… er hat bekräftigt, dass es eine Übereinstimmung geben muss zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Philosophie und Religion. Er hat bekräftigt, dass die Scharia, die Religion, ein Bruder der Rationalität und der Weisheit ist. In seiner berühmten und brillanten Streitschrift „Maßgebliche Abhandlung – Fasl al-maqal“ … „ (: „فصل المقال فيما بين الحكمة والشريعة من الاتصال“.), die die Grundlage für unser modernes islamisches Denken – im sogenannten politischen Islam in Tunesien – darstellt, hat der Philosoph darauf hingewiesen, dass es eine klare Einheit zwischen Religion und Wissenschaft – zwischen Religion und Philosophie gibt –in einer Zeit, in der die Philosophie von manchen Fanatikern als Blasphemie verteufelt wurde. Ibn Rushd glaubte hingegen, dass die Philosophie zu Gott führt, weil die Philosophie und die Wissenschaft dazu beflügeln, die Welt kennen zu lernen und mehr darüber wissen zu wollen. Ibn Rushd war davon überzeugt: je mehr man über die Schöpfung erfährt, desto mehr erfährt man mehr über den Schöpfer. Je fortgeschrittener wir in den Wissenschaften sind, desto mehr erfahren wir über die Kreativität, über das, was es in der Welt an Kreativität gibt…. und desto mehr lernen wir den Schöpfer, Gott, den Allmächtigen, kennen und können ihm näher sein. Und deshalb hat Ibn Rushd es abgelehnt, die Philosophie als eine Geringschätzung der Religion zu betrachten, die Behauptung, sie würde junge Menschen vom rechten Weg ablenken und vom Glauben abbringen. Er sagte, es mag schon vorkommen, dass einige, die Philosophie studieren, ungläubig werden, aber daran ist die Philosophie doch nicht schuld! Denn wenn jemand Wasser trinkt und sich daran verschluckt und stirbt, muss man doch nicht gleich allen verbieten, Wasser zu trinken? .. nur weil einige Leute am Wassertrinken ersticken? Deshalb glaubte Ibn Rushd, dass es eine Einheit der Welt geben muss, eine Harmonie, auf der die Welt basiert: Und deswegen darf Religion nicht gegen Wissen stehen, noch Wissen gegen Religion, noch sollte der Säkularismus gegen die Religion oder die Religion gegen den Säkularismus stehen. Wir sollten in dieser Welt nach der Harmonie Ausschau halten, nach einem harmonischen Zusammenspiel der Weisheit.

Die Denker, Reformer des neunzehnten Jahrhunderts in Tunesien haben diesen klaren Gegensatz festgestellt zwischen der islamischen Kultur, die in Rückständigkeit geraten war, und dem Fortschritt des Westens. Deswegen wollten sie den Staub abschütteln von dem Denken von Ibn Khaldun und Ibn Rushd und wollten der Wissenschaft und der Vernunft ihre Bedeutung zurückgeben. Und sie gingen davon aus, dass der Islam kein Gegensatz ist zu Wissenschaft, zu Fortschritt und Freiheit, sondern nur das falsche Verständnis von Islam, der heute noch als Quelle des Terrorismus, als Grund für die Unterdrückung der Frau und als Feind der schönen Künste und der Literatur in Verbindung gebracht wird. Diese Denker haben sich daher damals schon an die Arbeit gemacht, eine positive Kultur zu entwickeln, die wissenschaftlichen Fortschritt wie im Westen zusammenbringt mit den Prinzipien des Islam, ein Islam, der sich entschieden gegen Ignoranz, gegen Rückständigkeit, Ungerechtigkeit und Korruption stellt. Und deswegen hat die Nationalbewegung in Tunesien in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhundert genau auf diesem Reformislam aufgebaut. Zwar hat sie sich danach aufgespalten in eine Strömung von Bourguiba, oder eine Yusufi-Strömung und viele andere Denkschulen, aber alle sind sie vereint unter dem Dach des Reformislam. Heute gibt es in Tunesien drei Schulen – die Verfechter des Verfassungsentwurfs, die Linken und die islamische Schule. Diese Schulen sind in der Tat alle eine Fortsetzung der Gedanken von Ibn Khaldun und Ibn Rushd, eine Fortsetzung dieses Reformdenkens. Es sei erwähnt, dass mein verehrter Lehrer Mohammed Abed al-Jabri, der auch Preisträger Ihrer Stiftung war, genau darauf abgehoben hat, auf die Rationalität im Denken Ibn Rushds, und er hob darauf ab, dass der alte Maghreb – der islamische Maghreb, einschließlich Andalusien – als rational zu bezeichnen sei, während der Westen spirituell sei. Unabhängig davon, wie weit man die Unterschiede zwischen Ost und West hervorheben will, so hatte das Denken von Ibn Khaldun und Ibn Rushd tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf diese Region, die Region Andalusiens und der arabischen Maghrebländer insgesamt. All diese Schulen sind letztlich eine Fortsetzung der Reformbewegung, eine Weiterentwicklung des reformistischen Denkens, das Ibn Rushd angestoßen hat für Wissenschaft, Fortschritt, Vernunft, Harmonie und Einheit. Einige – wie die Islamische Bewegung – haben die Bedeutung von Identität unterstrichen, einige die Bedeutung des Staates und der wissenschaftlichen Entwicklung, andere die Entwicklung des Gesundheitswesens, andere wiederum wandten sich sozialen Aspekten und dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit zu. Da gab es unterschiedliche Schulen, die heute in Konkurrenz zueinander stehen, aber heute kommen wir alle zurück auf die Grundlagen der Quellen – Ibn Rushd und Ibn Khaldun und ihr Reformgedanke. Die Revolution in Tunesien, die ebenso eine Fortsetzung dieses Denkens ist, hat bewiesen, dass die Tunesier – so verschieden ihre Schulen auch sein mögen – zusammen stehen können, dass die Tunesier trotz unterschiedlicher Überzeugungen eine gemeinsame Verfassung, eine fortschrittliche Verfassung, aufstellen können, … eine Verfassung, die nicht zu Konfrontation führt, die nicht glaubt, dass es einen Konflikt gibt zwischen Islam und Säkularismus, zwischen Islam und Vernunft, zwischen dem Islam und der Freiheit und Demokratie, sondern die auf Konsens beruht. Die tunesische Verfassung ist in der Tat Ausdruck dieses Konsenses, zu dem Ibn Rushd und Ibn Khaldun und zu dem die Reformbewegungen aufgerufen haben, ein Zusammenkommen und kein Konflikt.

Der tunesische Frühling ist heute der Baum, der sich dem Sturm entgegenstellt trotz aller Widersprüche, trotz des Zusammenstoßes zwischen dem islamischen Lager und den Säkularisten, zwischen der politischen und der religiösen Gesellschaftsebene. Tunesien hat sich für Konsens und für den Zusammenhalt entschieden und bekräftigt, dass das wichtig ist, und dass für die Zeit des Übergangs, wie wir ihn heute in der arabischen Welt haben, es keinen Platz gibt für Konflikte, dass ein solcher Übergang es nicht verträgt, dass man in Konflikt ausbricht. In einer normalen Demokratie reichen 51% der Stimmen aus, um zu regieren, aber in der Zeit des Übergangs zur Demokratie, wie des arabischen Frühlings, in der wir leben, sind 51% eben nicht genug, denn die anderen 49 % werden schon am darauf folgenden Tag versuchen, diese 51 % zum Scheitern zu bringen. Das haben wir im vergangenem Jahr und dem Jahr davor erlebt. Der tunesische Frühling drohte zu scheitern, wenn wir uns nicht auf die Grundlagen des Denkens von Ibn Rushd besonnen hätten, dem Gedanken des Konsenses. Deswegen haben wir in der Ennahda-Partei gesagt, wir verzichten auf die Macht, die uns durch freie Wahlen zugestanden hätte, weil wir nicht möchten, dass das Gebäude über unseren Köpfen zusammenbricht. Wir beriefen uns auf den Gedanken des Konsenses und haben einen nationalen Dialog begonnen mit 22 Parteien und den wichtigsten zivilgesellschaftlichen Akteuren. Nach Monaten des Dialogs, in dem niemand ausgeschlossen wurde, haben wir diese Konsensverfassung geschaffen und eine unabhängige Kommission aufgestellt, die die Wahlen leitet. Zum ersten Mal in der arabischen Welt haben wir Wahlen, die nicht vom Innenministerium beaufsichtigt werden, sondern von einer unabhängigen Wahlkommission. Wir haben eine Kommission für den gerechten Übergang, wir haben eine Kommission für die Presse. Auch hier keine Einmischung des Innenministeriums, sondern die Presse wird hier von einer nationalen, ebenfalls unabhängigen, Kommission betreut. All dies wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht den Dominanzgedanken zugunsten des Konsens- und Einheitsgedankens zurückgestellt hätten. Dieser Konsensgedanke war es, der den tunesischen Frühling gerettet und den Baum Tunesien geschützt hat. Deswegen konnte dieser tunesische Baum in diesem Wald, in dem alle anderen Bäume umgefallen sind, sich dem Sturm entgegenstellen.

Meine Damen und Herren. Es ist viel die Rede vom Arabischen Herbst, statt eines Arabischen Frühlings. Manche sagen dies ja auch ganz schadenfroh. Viele behaupten gar, Araber und Muslime taugen nicht zur Demokratie, als sei etwas in ihren Genen, das sich gegen Demokratie und Freiheit sträubt – das, obwohl die Araber für die Freiheit aufgestanden sind und dafür weit mehr geopfert haben als andere. Aber aus vielerlei Gründen – das hat mit der Geschichte, mit der Geografie, mit der Religion, mit der Region sowie mit den Ressourcen dieser Region zu tun – tragen die Araber eine besonders große Last auf ihren Schultern und haben einen sehr hohen Preis bezahlt, um zur Freiheit zu gelangen – und sie haben sie immer noch nicht erreicht.

Ich bin sicher, dass die tunesische Revolution die arabische Welt in eine neue Ära geführt hat, eine Ära der Freiheit, so wie einst die französische, die englische und die amerikanische Revolution Europa in ein neues Zeitalter, in das Zeitalter der Freiheit, gebracht hat. Aber es wird noch einige Zeit vergehen, bis wir von der Freiheit zu einem demokratischen System kommen, es werden Menschen sterben, Blut fließen und viele Opfer gebracht werden müssen – aber, wie wir sagen, der Geist ist aus der Flasche (ich weiß nicht, wie der Dolmetscher das übersetzten wird).

Mit der tunesischen Revolution war die Angst vorbei. Der Respekt vor dem Tyrannen war vorbei. Bisher hatten die Araber den Tyrannen für unbesiegbar gehalten. Dann haben sie gesehen, wie sich ein Diktator in der Nacht davon macht, wie ein anderer in einem Käfig auf der Anklagebank sitzt – der Pharao, für viele Monate in einem Käfig gehalten! Sie sahen einen anderen Herrscher, wie er in Stücke gerissen und gelyncht wird und einen weiteren, wie er in seinem Palast eingeschlossen bleibt. Die Angst ist vorbei. Dieser furchtbare Tyrann ist nicht mehr furchterregend. Die Völker haben sich selbst entdeckt. Sie haben den Geschmack der Freiheit gekostet, und deswegen gibt es in der arabischen Welt kein Zurück zur Tyrannei.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Arabische Welt dem Rest der Welt anschließt und Demokratie auch in diese Region der Welt herrscht, die bis heute noch ein schwarzer Fleck geblieben ist. Aber heute ist die Demokratie ihre Zukunft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Arabische Welt von den Diktaturen befreien wird und die arabischen Diktatoren – wenn sie es heute nicht schon tun – begreifen, dass es für Tyrannei keine Zukunft mehr gibt, und dass sie nur die Wahl zu haben scheinen, entweder sie sind ein vernünftiger Tyrann oder sie werden ein vernünftiger Herrscher sein, der erkennt, dass es nach diesen Revolutionen, diesem neuen Geist, der sich in der arabischen Welt verbreitet, dem Geist der Freiheit, kein Überleben der Diktaturen mehr geben wird. Es gibt kluge Diktatoren, die das erkannt haben, nach dem Motto „Solange ich an der Macht bin und kein anderer, können mir Reformen Recht sein“. Sie bemühen sich um echte, interne Strukturreformen, wie es bereits viele der Monarchien in Europa getan haben. Großbritannien entwickelte sich ja auch langsam, schrittweise, nicht mit einer Revolution.

Wir hoffen, dass unsere arabischen Herrscher das begreifen und dass sie von selbst echte Reformen einleiten. Der marokkanische König zum Beispiel hat begonnen, ernsthafte Schritte zu unternehmen, die sich zu einer Demokratie entwickeln könnten. Er war klug genug, das zu tun, und wir hoffen, dass andere auch klug genug sind, diese Reformen einzuleiten. Sonst wird der Sturm der Freiheit weitergehen. Für die Arabische Welt gibt es kein Zurück mehr. Denn Demokratie ist nicht nur die Zukunft Tunesiens, sie ist die Zukunft der ganzen Welt. Die Welt ist heute ein kleines Dorf, in der eine Nachricht innerhalb weniger Sekunden um die Welt geht und alle Menschen erfahren, was sich an allen Orten der Welt ereignet. Und deswegen sind wir überzeugt, dass die Zukunft der Freiheit gehört und dass es für die Tyrannei keine Zukunft mehr gibt.

Meine Damen und Herren, wir sind ein kleines Land – Tunesien. Wir haben nicht so etwas wie ein Programm, unsere Revolution in die Welt zu exportieren. Die tunesische Revolution ist für den Eigengebrauch bestimmt. Aber wenn uns gelingt, in Tunesien ein Modell zu errichten für einen freien, demokratischen Übergang, in dem Islam und Demokratie vereinbar sind, und sowohl die Vertreter des islamischen wie des säkularen Lagers – jene beiden Strömungen, die sich ein halbes Jahrhundert lang bekriegten – in Konsens regieren, dann hätte Tunesien bewiesen, dass es möglich ist, … dass diese beiden Strömungen koexistieren können.

Gestern, da konnten Sie das großartige Ereignis im tunesischen Parlament, in dem sich die bunte Bandbreite der Gruppierungen, die die Wahlen hervorgebracht haben, wiedergefunden hatte, mitverfolgen. Es war schön zu sehen, dass die islamische Partei für einen Parlamentssprecher gestimmt hat, der nicht ihrer Partei angehört, und dass die führende Partei für einen Vertreter der islamischen Partei als Stellvertreter des Parlamentssprechers gestimmt hat.

Und es war schön zu sehen, dass der Vizepräsident der Islamischen Partei, der jetzt Stellvertreter des Parlamentssprechers ist, zu seiner Rivalin – die Frau eines Märtyrers – ging und ihre Stirn küsste als Anerkennung für die Bemühungen ihres Mannes und als Ausdruck seiner Hochachtung für ihn. Damit bewies er, dass alle Tunesier, unabhängig von ihren Überzeugungen, zu einer Nation gehören und dass der Patriotismus die Grundlage ist für die Rechte, die alle genießen, unabhängig davon, welchen Glauben man hat und welche Hautfarbe man hat. Alle sind gleiche Bürger dieses Landes.

Das Konzept der Staatsbürgerschaft ist ein grundlegendes Konzept im demokratischen System, und es ist ein grundlegendes Konzept im Islam. Denn unser Prophet hat einen Staat auf Grundlage der Staatsbürgerschaft geschaffen. In Medina gab es eine Verfassung, die sogenannte as-Sahifa, in der es die gleichen Rechte für alle Staatsbürger, auch für die dort lebenden Juden, gab. Und deswegen hatten die Juden in der Geschichte der islamischen Zivilisation keine Unterdrückung erleiden müssen, weil der Islam schon die Grundlagen für die gemeinsame Staatsbürgerschaft geschaffen hat – bei der die Rechte aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Land und nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Religion gelten. Tunesien, dieses kleine Land, konnte ein Licht anzünden, das den Himmel der gesamten arabischen Welt erhellte, es konnte gesunde Verhältnisse aufbauen, um sich allen Arten von Tyrannei und Terrorismus entgegenzustellen.

Die, die große Mengen an Geld ausgeben, um den Terrorismus zu bekämpfen, … wenn sie nur ein klein wenig davon ausgeben würden, um die Demokratie zu verbreiten, hätten sie in der Tat viel mehr gewonnen.

Terrorismus ist eine Krankheit, die alle Religionen befallen kann. Es ist eine Frucht der Tyrannei und der politischen und sozialen Verkommenheit. Wer Tyrannei sät, der erntet den Islamischen Staat (IS). Der Islam steht gegen beides. Heute gibt es die Krankheit des Terrorismus. Aber der Terror kann nicht nur mit Raketen und Flugzeugen bekämpft werden, und es reichen auch keine Sicherheitsdienste und Gerichte. Das ist sicher nur ein Aspekt des Themas. Man braucht sie, um den Terror zu bekämpfen, aber man kann ihn damit nicht ausrotten und die Gründe und Wurzeln für ihn in der Gesellschaft, die Korruption, nicht beseitigen. Die politische und wirtschaftliche Korruption durch Tyrannei und die falsche Auslegung des Islam sind die Wurzeln des Terrors.

Wie schon in der vorangegangenen Rede gesagt wurde, es gibt keinen Zwang in der Religion. Im Islam wird der Freiheit, Freiheit für Muslime und Nicht-Muslime, große Bedeutung zugemessen.

Als ich 1981 in die Politik ging, starteten wir unser Wahlprogramm mit einer prinzipiellen Forderung, nämlich der Forderung der Freiheit für alle. Als wir 1981 unsere Partei gründeten, fragte mich ein Journalist: „Sie sind strenggläubige Muslimbruder. Was hätten Sie getan, wenn das tunesische Volk die Kommunistische Partei gewählt hätte? Wären Sie in die Berge hinausgegangen? Hätten Sie mit terroristischen Anschlägen gedroht?“

Ich habe geantwortet: „Wir hätten die Kommunistische Partei dafür beglückwünscht, weil das tunesische Volk sie gewählt hat. Und wir hoffen darauf, dass die Tunesier ihre Meinung durch unsere Überzeugungsarbeit bei der nächsten Wahl ändern. Denn Wahlen sind nichts auf ewig, es gibt in der Demokratie keinen ewigen Sieger und auch keinen ewigen Verlierer. Sondern es geht hier um einen Machtausgleich, um einen Machtwechsel.“

Als die Tunesier nicht für uns gestimmt haben oder uns nicht an die zweite Stelle gesetzt haben, nachdem wir zuvor Erster waren, da war ich darüber nicht verärgert. Ich gratulierte den Gewinnern. Denn es geht mir nicht darum, für immer an der Macht zu bleiben. Wenn ich nicht mehr an die Macht komme, dann geht es mir vielmehr darum, dass ich nicht ins Gefängnis muss, oder nicht ins Grab. Sicher gibt es einige extremistische Dichter (Dichter sind ja manchmal extrem), die sagen, „Entweder ist man an der Spitze dieser Welt, oder im Grab.“ An der Spitze oder im Grab? Warum kann man nur da oder dort sein? Also ich finde: da gibt es sehr viel Raum dazwischen. Man muss nicht immer nur im Gefängnis oder an der Staatsspitze stehen. Man kann auch in der Opposition sein. Deshalb war es uns, als wir die neue Verfassung festgelegt haben und wir an der Macht waren, wichtig, der Opposition einen gebührenden Platz einzuräumen. Wir setzten uns dafür ein, dass wir den Finanzausschuss im Parlament ihr vorbehalten. Jetzt sind wir nun in der Situation und erkennen die Weisheit darin.

Seit 1981 sind wir bemüht, die Freiheit in unserer islamischen Kultur zu verankern. Und da geht es nicht nur um eine Parole. Zum Beispiel Glaubensfreiheit. Denn man darf nicht zum Islam gezwungen werden und auch nicht gezwungen werden, Muslim zu bleiben. Die Menschen sollen aus freien Stücken zum Islam übertreten, und es steht ihnen frei, Muslim zu bleiben oder, wenn sie es wollen, wieder auszutreten. Denn was ist der Wert einer Religion oder eines Glaubens, wenn die Überzeugung nicht da ist? Deswegen haben wir in unserer Verfassung die Freiheit des Gewissens festgelegt. Und wir haben – wie unser Bruder Hamid Fadlalla schon sagte – die Diffamierung von Personen durch Apostasie-Vorwürfe, das Takfir, andere also zu Ungläubigen zu erklären, unter Strafe gestellt. Und wir haben beharrt auf Vielfalt in der Politik und Rechte von Minderheiten. Wir haben betont, dass Glaube nicht auf Zwang beruhen kann. Wir haben auf dem Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter in unserer Kultur bestanden.

In der verfassungsgebenden Versammlung haben wir daher im Parlament die Frauenquote eingeführt, mit dem Ergebnis, dass unsere Fraktion die einzige war, in der eine Quote tatsächlich umgesetzt wurde. Unter den 89 Parlamentsabgeordneten waren 42 Frauen. Ich wollte damit aber nicht sagen, dass wir den idealen Zustand erreicht haben. Wir machen noch unsere Erfahrungen. Wir lernen, und wir haben uns daran gewöhnt, dass wir bewerten, was wir tun, und oft studierten wir unsere Fehler, um sie in Zukunft zu vermeiden.

Demokratie ist kein volles Glas, das wir in einem Zug trinken, sondern es ist ein langer Weg, an den wir uns noch gewöhnen müssen. Deshalb akzeptieren wir auch Kritik. Wir akzeptieren Kritik aus unseren Reihen wie auch von außen. Wir sind der Ansicht, dass wir noch ganz am Anfang stehen, dass wir Anfänger sind, wir müssen voneinander lernen. Das ist die Lektion von Ibn Rushd an die Menschen. Der Mensch soll lernen. Und es ist die Lektion, die uns der Islam lehrt: „Strebt nach Wissen, von der Wiege bis zur Bahre“.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren, dafür, dass Sie mit dieser Auszeichnung uns und die tunesische Revolution hier ehren. Danke. Wir wissen Ihre Arbeit zu schätzen. Wir glauben, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben werden. Wir alle haben die gleichen Väter und Mütter. Wir gehören zu einer Familie. Wie der Koran sagt, „Wir haben euch als Männer und Frauen und als verschiedene Stämme und Völker geschaffen, damit ihr euch kennen lernt.“ Gott hat uns nicht geschaffen, damit wir uns gegenseitig bekriegen und uns gegenseitig töten, sondern damit wir einander kennenlernen, damit wir voneinander lernen und voneinander Nutzen haben und Wissen schöpfen. Das ist der Gedanke von Ibn Rushd, das ist der wirkliche Säkularismus – die Freiheit des Geistes, die Freiheit der Wissenschaft, die Freiheit des Denkens und die Freiheit der Entscheidung, die freie Wahl zu haben. Auf diesem Weg gehen wir weiter. Herzlichen Dank, Tausend Dank.

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