Nasr Hamid Abu Zayd
Der Preis war ausgeschrieben für
einen arabischen Gelehrten des Islam, der sich um eine grundlegende Reform des Islam und des islamischen Denkens bemüht, und sich so für eine Annäherung zwischen der islamischen Tradition und der Moderne einsetzt.
- Ausruf zur NominierungEnglish العربيةAnnouncement of the 2005 Ibn Rushd Prize Subject: Is Islamic Thought compatible with modernity? The Ibn Rushd-Prize 2005 calls for an independent reformer of Islamic Thought Is Islamic thought […]
- CV Nasr Abu ZaidEnglish العربيةVita von Prof. Dr. Nasr H. Abu Zaid Nasr H. Abu Zaid wurde am 10.7.1943 in Tanta/Ägypten geboren. Seine Schulausbildung erhielt er in Tanta. Nach der Hochschulreife ist er […]
- Rede des PreisträgersEnglish العربيةEmpfangsrede von Nasr Abu Zaid Wege zu einer neuen islamischen Methodik in der Hermeneutik Nasr Hamid Abu Zaid „Erneuerung beginnt mit der wissenschaftlichen Vernichtung veralteter Vorstellungen“ Amin al-Khuli Es […]
- Mitglieder der Jury 2005English العربيةDie Jury Mitglieder des IBN RUSHD PREIS für freies Denken 2005: Bin Salem HimmichDer marokkanische Schriftsteller und Essayist Bin-Salem Hammich wurde 1945 geboren. Seine mehr als 26 auf Arabisch […]
- LaudatioEnglish العربيةLaudatio für Nasr Hamid Abu Zayd Berlin 25.11.2005 Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe heute die große Ehre und Freude, mit Ihnen die Verleihung des Ibn-Rushd-Preises für […]
- Begrüßungsrede des VereinsEnglish العربيةBegrüßungsrede des Vereins Cora Josting Berlin 25.11.2005 Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Abu Zaid, im Namen des IBN RUSHD Fund for Freedom of Thought heiße ich […]
- Der Ibn Rushd Fund trauert um den arabischen Denker Prof. Nasr Hamid Abu ZaidEnglish العربيةFund trauert um den arabischen Denker Prof. Nasr Hamid Abu Zaid Der Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought erfuhr mit großer Bestürzung vom Tod des ägyptischen Denkers Nasr […]
Fotobericht über die Ibn Rushd Preisverleihung 2005
Cora Josting, PR-Referentin, Gründungs- und Beiratsmitglied des Ibn Rushd Funds, hält die Begrüßungsrede auf Deutsch, Said Alameddine (Beiratsmitglied) auf Arabisch. Das Ausschreibungsverfahren: „Kandidaten können von jeder Person weltweit vorgeschlagen werden. Eine unabhängige fachbezogene Jury, die jedes Jahr neu berufen wird, entscheidet über den Preisträger. Dieses Verfahren lässt hoffen, dass wir möglichst viele Araber auf der ganzen Welt zur Mitwirkung aktivieren und dadurch ein politisches Bewußtsein und Klima der Hoffnung prägen, um gemeinsam für Freiheit und Demokratie zu wirken.“
In seiner Rede „Wege zu einer neuen islamischen Methodik
in der Hermeneutik“ gibt Abu Zaid einen Überblick über den Reformdiskurs im Islam. Er führt verschiedene Beispiele moderner Koranauslegungen heran: Gamal ad-Din al-Afghani, Muhammad Abduh, Rashid Rida, Qasim Amin, Muhammad Abu Zaid, Taha Hussain, Tahir Haddad, Muhammad Ahmad Khalafallah, Khalid Muhammad Khalid, Amin al-Khuli , Mahmud Muhammad Taha, Muhammad Shahrur, Hassan Hanafi und Fadl ar-Rahman.
„Seit dem 3. Jahrhundert der Higra (der Herrschaft des Abbasiden-Kalifen al-Mutawakkil), wurde über eins der wichtigsten Probleme des religiösen Diskurses, wenn es nicht gar das wichtigste Problem der scholastischen Theologie überhaupt ist, nicht mehr offen gestritten, nämlich über das Problem, wie das „Wort Gottes“ und dessen Beziehung zum „Wesen Gottes“ zu verstehen sei. Diese Problematik ging in die Geschichte als das Problem von der ‚Erschaffung des Koran‘, khalq al-qur’an, ein.“
„Wenn das „Wort Gottes“ die Eigenschaft der Ewigkeit und Zeitlosigkeit hat, dann ist die arabische Sprache eine äußere Schale, die seine Bedeutung verhüllt, wie es al-Ghazali in seinem Buch Gawahir al-quran (Die Kerninhalte des Koran) sagt. Da die Sprache eine Schale ist, haben alle Wissenschaften wie Sprachwissenschaft, Rhetorik, Stilistik und Semantik die Aufgabe, diese Schale zu entfernen, um die dahinter verborgenen Bedeutungen zu finden.“
„Weil das „Wort Gottes“, der Koran, Verkörperung seiner Zeitlosigkeit ist, umfasst es somit auch die Moderne mit all ihren Werten, Begrifflichkeiten und Philosophien in gleichem Maße, in dem durch den Koran Mord, Anklage wegen Unglaubens und Verbannung gerechtfertigt werden.“
„Wenn dem so ist, wenn also der Koran als ewig zeitloses „Wort Gottes“ all diese Arten von Bedeutungen und Zeichen in sich trägt, das Neue und das Alte, das Fundamentale und Liberale, das Gewalttätige und das Gegenteil … etc, welche dieser zahlreichen Bedeutungen siegen dann? (…) Die Bedeutungen, die immer siegen und vorherrschen werden, sind die, die der Stärkere für sich in Anspruch nimmt, der im Besitz von Macht und Herrschaft ist. Er mag fortschrittlich sein, dann wird er die Vertreter nichtmoderner Deutungen besiegen. Er mag aber auch rückschrittlich sein, dann wird er die Modernen besiegen.“
In ihrer Laudatio beschrieb Prof. Dr. Rotraud Wielandt, Professorin für Islamkunde und Arabistik an der Universität Bamberg, wie Abu Zaid sich den Zugang zur Hochschule aus bescheidenen Verhältnissen heraus schwer erkämpfen musste. Wesentliche Impulse bezog er aus neueren westlichen Theorien zur Hermeneutik und Semiotik, insbesondere machte er sich vertraut mit dem Philosophen Hans Georg Gadamer und dem japanischen Islamwissenschaftler Toshihiko Izutsu. Für das Textverständnis des Koran wandte er literaturwissenschaftliche Theorien an (Jurij Lotman bzw. Claude Elwood Shannon).
„Nach diesem Modell ist das Textverständnis in Analogie zum Empfangen von verschlüsselten Rundfunksendungen zu begreifen: Damit der Empfänger den gesendeten Text verstehen kann, muss der Sender ihn in einem Code gesendet haben, den der Empfänger kennt. Der geoffenbarte Korantext ist gewissermaßen eine sprachförmige Sendung Gottes an die Menschen. Sprache bezieht ihren genauen Bedeutungsgehalt aber grundsätzlich aus menschlichen Konventionen, in denen der gesamte sozial- und kulturgeschichtliche Horizont derer, die die betreffende Sprache sprechen, mit zum Tragen kommt. Von daher ist klar, dass sich auch Gott im Koran des Sprach- und Kulturcodes von dessen ersten Empfängern bedienen musste, um von diesen verstanden zu werden. Deshalb ist vorauszusetzen, dass der Korantext von den sprachlichen Ausdrucksmitteln und bis zu einem gewissen Grade auch der Vorstellungswelt Gebrauch macht, die dem Propheten Muhammad und seinen Zeitgenossen im frühen 7. Jahrhundert auf der arabischern Halbinsel vertraut waren. Da Sprache und Vorstellungswelt der Menschen im späten 20. Jahrhunderts und danach aber in etlichen Hinsichten nicht mehr so beschaffen sind wie die dieser ersten Muslime, ist es Aufgabe heutiger Interpreten, das, was Gott den Menschen im Koran sagen will, aus dem damaligen Sprach- und Kukturcode in die Sprache und den intellektuellen Horizont der Hörer oder Leser unserer Tage zu übersetzen. Nur so kann die Bedeutung koranischer Aussagen für heutige Menschen verständlich gemacht und gewahrt werden.“