Rachid al-Ghannuchi
Rachid al-Ghannouchi, am 22. Juni 1941 in El Hamma geboren, ist ein tunesischer Politiker (Al-Nahda, ehemals Mouvement de la Tendance Islamique, MTI) und mit 37 Prozent der Stimmen deutlicher Wahlsieger der ersten demokratischen Wahl nach dem Sturz von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali. Bis 2011 lebte al-Ghannouchi im Exil in London, wo ihm seit August 1993 Asyl gewährt wurde. Am 30. Januar 2011 kehrte er nach Tunesien zurück.
Nach dem Rücktritt von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali im Zuge der Revolution in Tunesien 2010/2011 in Tunesien beteiligte er sich an der von Fouad Mebazaâ vorgeschlagenen Übergangsregierung „der nationalen Einheit“. Während des Wahlkampfs bekräftigte er seine Unterstützung der Demokratie und den Verzicht auf Einführung aller Gebote der Sharia, etwa die Polygamie.
Rachid al-Ghannouchi wurde am 22. Juni 1941 in einer tunesischen Kleinstadt geboren. Durch seine religiöse Familie – der Vater war Imam – kam er früh mit der islamischen Religion in Berührung. Prägend waren für ihn die Geschehnisse nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der tunesische Widerstand gegen die französische Kolonialpolitik. Ähnlich wie viele junge Tunesier seiner Zeit fiel er bald in eine Identitätskrise zwischen säkularer, französisch beeinflusster Moderne und religiösen und kulturellen Wurzeln, die keine Relevanz im Säkularismus der französischen Kolonialzeit und dem nachfolgenden Bourguiba-Regime besaßen.
Von 1959 bis 1962 studierte er an der Universität Ez-Zitouna in Tunis, zog anschließend für kurze Zeit nach Kairo, wo er ein Landwirtschaftsstudium begann. Aufgrund der politischen Umstände (denen alle Tunesier zur Folge aus Ägypten verbannt wurden) floh er wenige Monate später nach Syrien und studierte in Damaskus von 1964 bis 1968 Philosophie. 1965 reiste er das erste Mal nach Europa und durch Deutschland, Frankreich und die Niederlande. 1968 zog er nach Paris, brachte sein dortiges Philosophiestudium aber nicht zu Ende. Er kehrte nach Tunesien zurück und begann dort, Philosophie zu unterrichten. Erste Artikel erschienen zur Reformierung der Unterrichtspläne an Schulen.
Von 1970 bis 1973 leitete er die von ihm ins Leben gerufene Jamâa al-Islamiya, eine religiöse Vereinigung, die sich darauf konzentrierte, die Verwestlichung Tunesiens zu kritisieren. Die Gruppe wurde 1973 wie auch andere soziale und politische Gruppierungen vom Bourguiba-Regime verboten. Die Arbeiterproteste in Tunis 1978 sowie die Islamische Revolution im Iran 1979 inspirierten Ghannouchi zu einer Weiterentwicklung seiner Ideologie. 1981 gründete er das Mouvement de la Tendance Islamique (MTI), eine islamistische Gruppe, die seiner Ideologie folgend die despotische Regierung kritisierte und sich für einen demokratisch inspirierten islamischen Staat einsetzte. In der Folge wurde Ghannouchi inhaftiert und verbrachte die Jahre 1981 bis 1984 im Gefängnis. 1987 wurde er erneut inhaftiert und zusammen mit anderen führenden Persönlichkeiten der MTI-Bewegung wegen Anstiftung zu Gewalt und Aufwiegelung zu einem Staatsstreich zum Tode verurteilt. Der Fall Ghannouchi wurde zum Politikum, Politiker auch in der Regierungspartei Bourguibas kritisierten den Prozess, Richter hoben die verhängte Todesstrafe wieder auf.
1987 löste Zine El Abidine Ben Ali Habib Bourguiba an der Spitze des Staates ab, Ghannouchi und andere inhaftierte Mitglieder der MTI kamen 1988 frei. Nachdem Ben Ali ein pluralistischeres politisches System ankündigt hatte, stellte Ghannouchi einen Antrag auf Anerkennung der MTI, die sich in Al-Nahda umbenannte. Mitglieder der Partei nahmen als unabhängige Kandidaten an den Parlamentswahlen 1989 teil und errangen große Erfolge. Das Regime jedoch akzeptierte einen solchen Machtgewinn für eine Oppositionspartei nicht und lehnte den Antrag auf Anerkennung der Nahda-Partei ab. Mitglieder wurden von nun an als Mitglieder einer illegalen politischen Vereinigung verfolgt. Ghannouchi floh 1989 ins britische Exil, wo er bis 2011 lebte.
Seit den 1970er Jahren hat Herr Ghannouchi zahlreiche Werke über ein breites Spektrum zeitgenössischer politischen Themen verfasst, einschließlich der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie, Säkularismus, die Zivilgesellschaft, die Moderne, Religion und Pluralismus, der Islam und der Westen, Menschenrechte, die Rechte der Frauen, die Rechte von Minderheiten, die Koexistenz verschiedener Glaubensrichtungen und die politischen Entwicklungen in den arabischen und muslimischen Welt.
Ghannouchi wurde im Jahr 2012 vom Magazine Time als einer der 100 einflussreichsten Menschen der Welt und als einer der Top 100 Global Thinkers der Außenpolitik ernannt. Er wurde 2012 (zusammen mit tunesische Präsident Moncef Marzouki) mit dem Chatham House Preis von Prinz Andrew, Herzog von York, ausgezeichnet, für „die erfolgreichen Kompromisse, die während des demokratischen Übergang in Tunesien erreicht wurden“.
Website: www.rachedelghannouchi.com
Diese Vita basiert in gekürzter Form auf Wikipedia, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Rachid_al-Ghannouchi