(English will be published here soon)
Seien Sie alle herzlich willkommen. Ich freue mich, dass Sie in so großer Zahl unserer Einladung gefolgt sind, um der Zeremonie einer Preisverleihung beizuwohnen, die sich der Unterstützung der Werte der Staatsbürgerschaft und der Demokratie in der arabischen Welt verschrieben hat. Der diesjährige Ibn Rushd Preis widmet sich der Wahrung des Prinzips der Religionsfreiheit und der Festigung der Werte der Staatsbürgerschaft und des Zusammenlebens, entgegen jener Gesinnung, die unweigerlich zu gesellschaftlichen Konflikten, Sektierertum und Krieg führen.
Zunächst möchte ich die Mitglieder der Jury des diesjährigen Preises, Dr. Elizabeth Kassab (Libanon) und Dr. Khazal Al-Majidi (Irak), Dr. Asma Lamrabet (Martokko) und Dr. Nazmi Al-Jubeh (Palästina) begrüßen, die uns mit ihrer Arbeit bei der Auswahl des diesjährigen Preisträgers und Erfüllung der Werte des Ibn Rushd Funds unterstützt und Ehre erwiesen haben. Ebenso möchte ich unsere diesjährigen Preisträger, Dr. Nayla Tabbara (Libanon) und Dr. Saad Salloum (Irak), danken, und beglückwünsche Sie zum Ibn Rushd Preis, der heute an sie vergeben wird in Anerkennung ihrer akademischen und praktischen Arbeit, die die Werte der Solidarität, der Staatsbürgerschaft und Menschenrechte fördert. Ebenso gilt mein Dank Dr. Um Al-Zein bin Sheikha Al-Maskini (Tunisia) und Professor Dr. Abdul-Jabbar Al-Rifai für ihre kontinuierlichen Bemühungen, die Kultur der Vielfalt und der Demokratie zu unterstützen, unter anderem durch ihre wissenschaftlichen Schriften. Die Auswahl des diesjährigen Preisthemas erfolgte nach einer Umfrage unter den Mitgliedern des Ibn Rushd Funds.
Die Wahl dieses Themas wurde durch den Ruf nach Veränderungen in unseren Gesellschaften unterstützt, insbesondere der Etablierung einer Kultur der Meinungsfreiheit und des Rechts auf Meinungsverschiedenheit, Werte, die an der Spitze der Forderungen standen, zu der die Jugend der Arabischen Frühlingsbewegung von Algerien bis Sudan aufriefen. Die Etablierung einer Kultur der Gleichberechtigung aller Individuen in einer Gesellschaft – als gleichberechtigte Bürger, nicht als Angehörige einer Religion -, führt zwangsläufig zu sozialer und politischer Stabilität und wirtschaftlichem Wachstum. Und diese gesellschaftliche Stabilität, Solidarität und Akzeptanz des Anderen ist unsere einzige Hoffnung, um den Problemen der Zeit effektiv zu begegnen, einer Zeit, in der der Mensch schon genug zu tun hat gegen Viren, Überschwemmungen und Dürren zu kämpfen, geschweige denn gegen religiösen Fanatismus, Sektenkrieg und Intoleranz. Dieser religiöse Diskurs der Intoleranz, der zu Diskriminierung, Gewalt und Spaltung aufruft, wird oft eingesetzt, um politische Interessen durchzusetzen, die jedoch nicht den Interessen des einfachen Volkes und seinen täglichen Problemen dienen.
Trotz des derzeit vorherrschenden Diskurses über das dialektische Verhältnis von Islam und Vielfalt, der von Muslimen und Nicht-Muslimen vor dem Hintergrund konfessioneller Konflikte und konfessionell-religiöser Diskriminierung in unserem Land geführt wird, ist es nicht falsch zu betonen, wenn auch allbekannt, dass den islamischen Gesellschaften die Kultur der Vielfalt und des Pluralismus nicht fremd ist. Die glanzvollsten Beispiele hierfür, die im arabischen kollektiven Gedächtnis noch präsent sind, sind vielleicht die Dynastien der Umayyaden und Abbasiden und die islamischen Zivilisation in Andalusien, wo die Wissenschaft blühte und sich das literarische und philosophische Denken in einer vorherrschenden Kultur der Offenheit weit entwickeln konnte. Diese Gesellschaften erlebten auch eine Koexistenz zwischen der islamischen Jurisprudenz und den religiösen Gesetzen und Gerichten anderer Religionen.
Dies führt uns über zu einen der bedeutendsten muslimischen Philosophen zurückzukommen, den Philosophen Averroes „Ibn Rushd“, den der Ibn Rushd Fund als Synonym für Pluralismus und Freiheit zum Namenspatron gewählt hat. Ibn Rushd war nicht nur Philosoph, Richter und islamischer Gelehrter, sondern er verkörpert auch in Bezug auf seine Herkunft und seinen kulturellen Hintergrund Manifestationen des Pluralismus auf kultureller, religiöser und philosophischer Ebene. Er gilt als Bindeglied zwischen Ost und West, hinsichtlich seiner Verdienste bei der Bewahrung des griechischen philosophischen Erbes. Aus religiösen Sicht sah er keinen Widerspruch zur Philosophie. Er sah, dass es einen Einklang gab zwischen Philosophie und Scharia, in seinem Buch „Fasl al-Maqal fi ma baina al-hikmati wa-sharia min ittisal“ („Harmonie der Religion und der Philosophie“), welches die Vielfalt fördert. Und hier im Westen war Ibn Rushd eine Inspiration für die europäische Renaissance in der Neuzeit.
Die Philosophie Ibn Rushds erkennt, dass Wissen und Bewusstsein eine der Herangehensweisen sind an eine humanere Gesellschaftsform, in der das Recht ausgeübt werden kann, anders zu sein, bedingt dadurch, andere Fähigkeiten, Meinungen und Auslegungen zu haben. Aktuell in unserer heutigen Zeit erleben wir, dass vorherrschend Vielfalt abgelehnt wird, sei es auf sozialer, wirtschaftlicher, kultureller, intellektueller und sogar zivilisatorischer Ebene, und es ist wichtig, diesen aufgeklärten Mann in Gedächtnis zu bringen, der sich der Bedeutung von Vielfalt und Pluralität bewusst war. Nur so können wir eine sichere und stabile Gesellschaft aufbauen, die in der Lage ist, an der Gestaltung der gegenwärtigen menschlichen Zivilisation teilzunehmen und dazu beizutragen.
Wie der verstorbene Islamexperte Nasr Hamid Abu Zayd einmal sagte:
Wir müssen unseren eingewanderten Geist – Ibn Rushd – wiedererlangen, nicht im Sinne unsere Ware zurückzunehmen, sondern im Sinne diesen Geist für uns zurückzugewinnen angereichert mit dem, was sich dieser Geist in Laufe der Geschichte an zivilisatorischen und intellektuellen Transformationen erworben hat.
Dies ist auch, was der Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought erreichen will, durch Vorträge und akademische Diskussionsrunden, zu denen Akademiker aus verschiedenen Ländern eingeladen werden, um dazu etwas beizutragen, um die wichtigsten philosophischen, psychologischen und literarischen Probleme zu diskutieren, mit Hinblick auf Vielfalt und Demokratie, aus zeitgenössischer Sicht unter Berücksichtigung aktuellen historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext, sowie der kulturellen Unterschiede.
Abschließend möchte ich den Mitgliedern des Ibn Rushd Fund for Free Thought und ihren Unterstützern auf der ganzen Welt danken. Alle unsere Aktivitäten, einschließlich dieser Auszeichnung, werden vollständig und ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Dies zeigt den starken Glauben breiter Kreise von Intellektuellen und Akademikern an der Unterstützung und Festigung einer Kultur des Dialogs, der Demokratie und der Gewaltlosigkeit. Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit und Ihre Unterstützung, denn dies motiviert uns umso mehr, unser Bestes zu geben, um das Beste zum Wohle der Menschen in unseren arabischen Gesellschaften und darüber hinaus zu bieten.
Danke euch allen.
Dr. Amani Al Siefy