Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought, Preisverleihung 2022 – Begrüßungsrede von Cora Josting (Vorsitzende)

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Guten Abend meine Damen und Herren, werte Exzellenzen, liebe Freundinnen und Freunde des Freien Denkens – ich möchte Sie herzlich willkommen heißen zur 20. Verleihung des Ibn Rushd Preises für Freies Denken, heute hier im Gobelinsaal des Bode-Museum zu Berlin: herzlich willkommen, ahlan wa sahlan!
Besonders begrüßen möchte ich auch Professor Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst, das für die Verleihung des 20. Preises erneut mit uns kooperiert. Herzlichen Dank dafür, dass wir auf diese Weise unser ‘Preisverleihungsjubiläum‘ in diesem schönen Saal feiern dürfen.
Wir verleihen den Preis jetzt zum 20. Mal; gegründet wurde der Ibn Rushd Fund, der ein Verein ist, bereits 1998. Seitdem haben wir den Preis fast jährlich verliehen. Der diesjährige Preis ist auch ein besonderer Preis, weil wir große Anstrengungen unternehmen mussten um die Verleihung zu verwirklichen. Es gab viele, wie man jetzt positiv denkend sagt, Herausforderungen auf dem Weg zu diesem Abend heute. Nicht zuletzt war da die Corona-Pandemie, die uns zweimal zwang den Preis komplett abzusagen, da öffentliche Veranstaltungen nicht möglich waren und wir nicht ausgerechnet den 20. Preis online verleihen wollten. Aber auch sonst online-Veranstaltungen in keiner Weise das Beisammensein und das Zusammenkommen bieten können, sich in Realität zu versammeln um gemeinsam das Freie Denken, die Meinungsfreiheit zu feiern, zu zelebrieren, zu stärken durch die Verleihung unseres Preises. Darum haben wir solange gewartet, und das wunderbare Ambiente in dem wir uns hier heute versammeln bestätigt nachträglich diese Entscheidung.
Wir begrüßen heute gleich zwei Preistragende – eine Gewinnerin und einen Gewinner hat uns die diesjährige Jury beschert, bestehend aus Elizabeth Kassab, Khasal Al-Majidi, Asma Lamrabet und Nasmi Al-Jubeh. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen vieren allerherzlichst bedanken für ihre vorzügliche Arbeit, ihr Engagement und ihre Bereitschaft die Zeit zu finden für online-meetings um gemeinsam eine Entscheidung zu treffen – denn die Wahl der beiden Preistragenden wurde einstimmig getroffen, das gab’s noch nie in der Geschichte unseres Preises. Herzlichen Dank an die Jury für ihren außergewöhnlichen Einsatz!
Ich freue mich sehr, mit Elizabeth Kassab und Khazal Al-Majidi zwei der Jury-Mitglieder heute hier als Laudator und Laudatorin begrüßen zu können.
Wenn ich mir die Preise ansehe, die wir verliehen haben über die letzten 20 Jahre hinweg, und die Gewinnerinnen und Gewinner des Preises, so waren alle Preise wichtig auf ihre eigene Art, und jede preistragende Person war außergewöhnlich. Ich hatte das große Glück, sie fast alle kennenlernen zu dürfen, fast alle – Mohammed al Jabri konnte krankheitsbedingt nicht anreisen, und Razan Zaitouneh kam 2012 aufgrund der Lage in Syrien nicht, so dass Sadeq Jalal al Azm den Preis für sie entgegennahm, übrigens im Mschatta Saal des Museums für Islamische Kunst.
Ich erinnere mich gerne an die erste Besichtigung des Saals mit Stefan Weber – das war ein paar Jahre früher – damals ganz neu Direktor des Islamischen Museums, der ganz genau meinen Gedanken verstand, dass arabische Gegenwarts-Hochkultur, die unsere Preisträger:innen vertreten, in einen Raum wie den Mschatta-Saal gehört, der die historische arabische Hochkultur präsentiert.
Obwohl das Unterthema des Preises stets wechselte, das wir durch einen vereinsinternen Grassroots-Entscheidungsprozess finden – wir hatten Themen von Literatur über Feminismus, Politik, Film, Journalismus, Musik, und viele mehr – haben wir uns doch öfter mit dem Thema Religion beschäftigt, direkt oder auf Umwegen kam sie immer wieder vor. So hat damals den Preis für Religionsreform Nasr Hamid Abu Zaid gewonnen, der mit seiner engsten Familie zu uns kam und uns eine sehr wunderbare Feier bescherte.
Die Preisträger und Preisträgerinnen waren immer sehr entschlossene und warmherzige Menschen, die sich ganz ihrer Sache verschrieben haben. Das ist bewundernswert, und man muss, besonders in der heutigen Lage – nicht nur der arabischen – Welt auf mehr solcher Persönlichkeiten hoffen, die gegen den Strom denken und sich einsetzen für das freie Denken und die Freiheit in ihren fast immer von autokratischen Regimen geführten Staaten. So hat uns zum Beispiel Sonallah Ibrahim, der viele andere Preise nicht annahm, die große Freude gemacht, unseren Preis anzunehmen, weil er gesehen hat, dass hier der Preis verliehen wird von Bürgerinnen und Bürgern an einen Herausragenden unter ihnen.
Dass wir dies über so lange Zeit geschafft haben, den Preis zu verleihen, erfüllt mich mit großer Freude und Stolz, über unsere kontinuierliche Arbeit, die nicht immer einfach war, aber doch hat es sich immer gelohnt, denn auch mit Auseinandersetzungen, die in der Sache geführt werden, man immer auch lernen kann und wächst, und seinen eigenen Horizont, sein eigenes Denken erweitern kann.
Als wir den Verein gründeten im Jahr 1998, wussten wir eigentlich nur, wir wollten die arabische Welt verändern. Um die arabische Welt zu verändern, müssten wir zuerst das Denken verändern, das war für uns klar und dies war unsere Grundidee. Wir überlegten, wie wir das am besten machen könnten mit den geringen finanziellen Mitteln die uns zur Verfügung standen – das war die Zeit vor dem Internet, als noch alle Kommunikation per Brief, Telefon und Fax passierte – und so gab es die Idee, wir gründen eine Zeitschrift und verteilen sie im Libanon. Damit wäre aber klar gewesen, dass der Rest der arabischen Welt nichts davon hätte, da wir uns nicht leisten können würden, sie zu verschicken in andere Länder. Eine andere Idee war, Konferenzen abzuhalten – die wurde aus demselben Grund abgelehnt – so dass ich sagen muss, die Konferenz morgen, zu Freiheit und Religion in der Forum Factory in Kreuzberg – geschieht quasi zur Jubiläumsfeier.
Also kamen wir auf die Idee, wir verleihen einen Preis, geben das Geld, das wir haben, und veranstalten eine große Feier und machen durch die Medien den Gewinner oder die Gewinnerin bekannt, und unterstützen sie so als Person und in ihrer Arbeit; nicht so sehr durch das eher geringe Preisgeld, sondern indem der Ruf der Person oder der Organisation in anderen Ländern, auch in der nicht-arabischen Welt, dem Westen, vergrößert wird, und so auch die Sicherheit vergrößert wird und die Arbeit unterstützt und geschützt. So unsere Idee; wir nahmen uns vor, dass wir dann in ein paar Jahren eine weite Bewegung werden würden, und den Preis, sobald dies möglich wäre, in einem arabischen Land verleihen würden, und auch nicht nur einen davon, sondern viele Preise. Wir waren fest überzeugt: “the sky is the limit“. Und dann begann die Arbeit – wir mieteten einen Konferenzraum und verkündeten der Welt unsere Gründung, ein paar Journalisten kamen, und im Jahr darauf verliehen wir den ersten Preis.
Inzwischen haben wir bereits mehrfach die zweiten und dritten Gewinner genannt, und heute sogar zwei erste Preistragende! Es lief nicht ganz so wie in unserer Vision von damals; aber es kommt eben immer (ein bisschen) anders als man denkt, weil die Welt sich ja auch dreht und Geschichte sich teils ganz anders entwickelt.
Das Geld, das wir zur Verfügung haben, ist nicht viel Geld. Aber Zahlen sind relativ; und so ist das Geld, das wir für den Preis haben, immer Geld das von ‚members of the society‘, wie die Briten sagen, Mitgliedern unserer Gesellschaft – Gleichen, equals – gegeben wurde. Manche geben mehr, manche weniger, je nach ihren jeweiligen finanziellen Verhältnissen; und so ist jede Summe schlussendlich gleich viel wert.
Wenn ich mir ansehe, wieviel in der Wirtschaftswelt ausgegeben würde für eine Veranstaltung, wie wir sie hier heute auf die Beine stellen, dann ist unser Budget lächerlich. Darum ist es auch großartig, was das Zusammenwirken von Bürgerinnen und Bürgern, egal woher, konstruieren kann.
Ich möchte mich darum auch gerne und besonders bedanken bei all jenen, die über die letzten 20 Preise, und über jetzt fast 24 Jahre, mitgearbeitet haben an unserem Preis, von Themenfindung bis Verleihung, jede und jeder nach eigenem Vermögen.
Der Geist des Zusammenseins, des gemeinsamen Schaffens, kann viel auf die Beine stellen und bewirken; auch die Welt verändern, davon bin ich immer noch überzeugt; vielleicht nicht immer jetzt gleich, aber dann.

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