Ibn Rushd Preis 2015 geht an die palästinensische Autorin Aisha Odeh

English العربية

Den zweiten Preis teilen sich Mustafa Khalifa und Ahmed Marzouki

Der Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought freut sich, als Trägerin des 17. Ibn Rushd Preises zum diesjährigen Thema Gefängnisliteratur die Palästinenserin Aisha Odeh bekannt zu geben. Aisha Odeh nimmt den Ibn Rushd Preis am 27. November 2015 in Berlin entgegen.

Zum ersten Mal seit seiner Gründung im Jahr 1998 entschied der Ibn Rushd Fund in diesem Jahr, die Gewinner des 2. Platzes bekannt zu geben, um durch drei aussagekräftige und individuelle Werke ein umfangreicheres Bild der arabischen Gefängnisliteratur zu zeigen. Den zweiten, nicht dotierten Preis teilen sich Mustafa Khalifa aus Syrien und Ahmed Marzouki aus Marokko.

Der Ibn Rushd-Preis 2015 war ausgeschrieben für:

Eine/n Autor/in eines Werkes der Gefängnisliteratur, der/die eine breite öffentliche Debatte über die Situation politischer Gefangener anregt, Unterdrückung und Verletzung von Menschenrechten aufzeigt und das Recht auf Freiheit und Menschenwürde in der arabischen Welt einfordert.

Von den meisten arabischen Regimes werden die Menschenwürde und das Streben nach Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit gewaltsam unterdrückt. Diejenigen, die sich um die Zukunft ihres Landes sorgen und sich für eine positive Veränderung einsetzen, bezahlen mit ihrer persönlichen Freiheit – als Gefangene einer Besatzungsmacht oder tyrannischer Herrschaftssysteme, und ihre Schreie verhallen ungehört in den Gefängnissen vom Atlantik bis zum Arabischen Golf. Weil ihr Alltag, physische und psychische Folter, und auch die Träume von Freiheit geheim bleiben, sind Erfahrungsberichte von ehemaligen politischen Häftlingen ein umso wichtigeres literarisches Dokument und Mahnmal für künftige Generationen.

Aisha Odeh kam als eine der ersten Frauen aus dem palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besatzungsmacht nach dem 1967er Krieg ins Gefängnis; im Zuge der Kollektivstrafe sprengte das israelische Militär 1969 unmittelbar nach ihrer Festnahme das Haus ihrer Eltern. Odeh wurde 1970 zu zweimal lebenslänglich und zehn Jahren Haft verurteilt und erlebte während ihrer Haft Folter in allen ihren Formen. Durch einen Gefangenenaustausch kam sie 1979 frei, wurde aber nach Jordanien verbannt. Erst nach dem Oslo-Abkommen im Jahr 1994 konnte sie in ihre Heimat Palästina zurückkehren.

In einem nüchternen Stil hat Aisha Odeh in „Traum von der Freiheit“ und „Preis für die Sonne“ (so die deutsche Übersetzung der arabischen Titel, die in anderen Sprachen bislang nicht erhältlich sind; allerdings ist die englische Übersetzung des ersten Buches derzeit in Arbeit) ihre Erfahrungen schriftlich niedergelegt. In ihren zwei Büchern schildert sie das Leben palästinensischer, politischer Gefangener in israelischen Gefängnissen „tiefgründig und auf einem sprachlich hohen Niveau“, so der bekannte Autor und Literaturkritiker Ibrahim Nasralla. „[Aisha Odeh beschreibt] das Leiden palästinensischer Frauen sowie ihr persönliches Leiden in israelischen Gefängnissen. Ihre Autobiografie zeichnet sich aus durch die Einfachheit, in der sie das Bild des Anderen zeichnet, ohne auf Parolen oder Stereotypen zurückzufallen, aber Rassismus und Grausamkeit offenlegt.“

Ein ganz anderes Bild zeichnet Mustafa Khalifa von seinen Erfahrungen in syrischen Gefängnissen: in Aleppo aufgewachsen, kam er aufgrund seiner politischen Aktivitäten bereits als Jugendlicher zweimal ins Gefängnis; der letzte Aufenthalt dauerte 15 Jahre. In seinem Roman „al-Qawqa’a, yawmiyyat mutalassis“ (Die Kapsel, Tagebuch eines heimlichen Beobachters) macht Khalifa, der mehrere Gefängnisse erlebte, den Leser zum Augenzeugen der Gewalt und Ungerechtigkeit in den Gefängnissen von Syrien.

Als Offizier wurde der marokkanische Ahmed al-Marzouki 1971 unfreiwillig in den Skhirat-Putschversuch gegen König Hassan II verwickelt. Ein Militärgericht verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft, aus denen 20 Jahre wurden. 18 davon verbrachte im Wüstengefängnis Tazmamart, in dem viele seiner Mitgefangenen aufgrund der Haftbedingungen starben. Erst infolge des unnachgiebigen Drucks internationaler Menschenrechtsorganisationen kam al-Marzouki 1991 frei. In seiner Autobiografie „Tazmamart, Zelle No. 10“ legt er ein in seiner Tiefe und seinen Details bewegendes Zeugnis seiner Haft ab.

Mit seinem Preis würdigt der Ibn Rushd Fund Menschen, die sich für Freiheit und Demokratie verdient gemacht haben und macht somit auf ihr Werk aufmerksam. Finanziert wird der Preis ausschließlich von Beiträgen und Spenden der Mitglieder des Ibn Rushd Funds.

Die Gewinner des diesjährigen Ibn Rushd Preises – Aisha Odeh (Palästina), Mustafa Khalifa (Syrien) und Ahmed Marzouki (Marokko) – wurden aus insgesamt 18 Persönlichkeiten aus sechs arabischen Ländern ausgewählt. Die Entscheidung wurde getroffen von einer unabhängigen und ehrenamtlichen Jury, die aus fünf bekannten Schriftsteller/-innen und Literaturwissenschaftler/-innen aus dem arabischen Raum bestand: Mohammed Achaari (Marokko), Razan Ibrahim (Jordanien), Khaled Khalifa (Syrien), Samia Mehrez (Ägypten), Samuel Shimon (Irak).

Social media & sharing icons powered by UltimatelySocial