Ibn Rushd Preis 2014 geht an
tunesischen Politiker Rachid Ghannouchi
Der Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought freut sich, den tunesischen Politiker und Wegbereiter einer islamischen Moderne Rachid Ghannouchi als Träger des 16. Ibn Rushd Preises bekannt zu geben. Die Verleihung des Preises findet am 5. Dezember 2014 in Berlin statt.
Rachid Ghannouchi, der Philosophie in Kairo, Damaskus und Paris studierte, ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen arabisch-politischen Denker. Er ist weithin anerkannt als Verfechter der Vereinbarkeit des Islams mit den Prinzipien von Pluralismus, Freiheit, Moderne und Demokratie. Seit den 1970er Jahren hat Sheikh Ghannouchi zahlreiche Bücher zu aktuellen Themen verfasst, unter anderem zu den Themen Islam und Moderne, Demokratie und Säkularismus, Zivilstaat und Zivilgesellschaft, Religion und Pluralismus und die Beziehung zwischen Orient und Okzident. Nicht nur Ghannouchis politisches Wirken, sondern auch seine Schriften haben Einfluss auf das politische und religiöse Denken in Tunesien und in der gesamten arabischen und islamischen Welt.
Der Ibn Rushd Preis 2014 war ausgeschrieben für eine Person, die einen modernen Islam als Stütze der Zivilgesellschaft erachtet und so, sei es durch ihr theoretisches Werk oder ihr politisches Handeln, die Etablierung eines modernen demokratischen arabischen Staates fördert oder gefördert hat.
Zur schon im 19. Jahrhundert angestoßenen grundlegenden Debatte über das Verhältnis von Zivilgesellschaft und Islam, und über die Frage, welche Rolle beide bei der Schaffung eines modernen demokratischen Staates spielen sollen, hat Rachid Ghannouchi einen außerordentlichen Beitrag geleistet. Anders als die Beiträge vieler islamischer Intellektueller, die sich schon vor ihm mit diesem Thema auseinander setzten, zeichnen sich seine Beiträge dadurch aus, dass sie nicht zu akademisch, sondern allgemein verständlich gehalten sind. Als Politiker ist er bestrebt, diese Ansichten in die Praxis umzusetzen, und erzeugt damit nicht selten kontroverse Diskussionen innerhalb der an-Nahda (auch: Ennahda) Partei, der er angehört.
Rachid Ghannouchi begreift die Demokratie als Teil des modernen Islams, für den er steht. Er ist fest überzeugt, dass der Islam nicht im strukturellen Gegensatz zum demokratischen Rechtsstaat steht und plädiert für einen Zivilstaat, in dem der Islam eine der möglichen Religionen seiner Bürger ist. Als Modell verweist er auf Großbritannien, wo er 20 Jahre im politischen Exil lebte. Seiner Ansicht nach züchtete die Herrschaft der arabischen Diktatoren, unter der die Religion mit Gewalt unterdrückt wurde, den heute allgegenwärtigen religiösen Extremismus. Nur das Zulassen der in der Zivilgesellschaft vorhandenen Religiosität und einer gemäßigten islamischen Partei in einer freiheitlichen Gesellschaft könne den Extremismus wirksam bekämpfen.
Er vertritt den Standpunkt, dass Kooperation, Konsens und Koalitionen unerlässlich sind, um die demokratische Transition in Tunesien erfolgreich zu gestalten, und so ging die An-Nahda Partei eine Koalition mit säkularen Parteien ein. Gemeinsam mit dem tunesischen Präsidenten Moncef Marsouki gewann er 2012 den britischen Chatham House Preis (http://www.chathamhouse.org/chatham-house-prize/2012) für die erfolgreichen Kompromisse, die beide für die demokratische Transition Tunesiens eingegangen sind.
Die neue tunesische Verfassung garantiert den Bürgerinnen und Bürgern Tunesiens grundlegende Freiheitsrechte und beruft sich auf die Erklärung der universellen Menschenrechte als eine ihrer Säulen. Sie fordert einen offenen und toleranten Islam und garantiert den Bürgern Glaubensfreiheit. Es ist nicht zuletzt dem Einfluss Rachid Ghannouchis und seiner Gedanken auf die von ihm mitgegründete an-Nahda Partei geschuldet, dass diese in der verfassungsgebenden Versammlung für die neue tunesische Verfassung stimmte.
Auch bei der Vergabe des 16ten Ibn Rushd Preises für Freies Denken hat der Verein ein seit Jahren erprobtes basisdemokratisches Verfahren angewandt:
Im März eines jeden Jahres wählen die Mitglieder des Ibn Rushd Funds das Thema des Jahres für den Ibn Rushd Preis. Nach der öffentlichen Bekanntgabe des Preisthemas im April kann jeder und jede Interessierte Kandidatinnen und Kandidaten nominieren. Zwischenzeitlich wählt der Verein eine Jury, bestehend aus Experten zum jeweiligen Thema, möglichst aus fünf arabischen Ländern und möglichst mit mindestens zwei Frauen besetzt. Die Jury arbeitet ehrenamtlich und unabhängig. Das Wahlergebnis ergibt sich durch die Summe der Punktzahl der von der Jury angegebenen Prioritäten.
Mit dem Ibn Rushd Preis für Freies Denken zeichnet der Ibn Rushd Fund seit 1998 Menschen oder Organisationen aus, die sich um das Freie Denken in der arabischen Welt verdient gemacht haben.
Die Preisverleihung inklusive dem Preisgeld von €2500 wird ausschließlich über Beiträge und Spenden der Mitglieder des Ibn Rushd Funds finanziert.
Mehr Informationen finden Sie unter: Ibn Rushd Preis 2014
Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought
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