Ibn Rushd-Preis 2022 – Religionsfreiheit geht an Nayla Tabbara (Libanon) und Saad Salloum (Iraq)

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Der Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought freut sich, die Preistragenden des diesjährigen Ibn Rushd Preises bekannt zu geben: Nayla Tabbara aus dem Libanon mit ihrer Organisation „Adyan Foundation“ und Saad Salloum aus dem Irak mit seiner Organisation „Masarat“. Sie gewinnen gemeinsam den 20. Ibn Rushd Preis für das diesjährige Thema „Religionsfreiheit“.  Die Preisverleihung findet am 8. September 2022 in Berlin, Deutschland, statt. 

Auch in der arabischen Welt ist gegenwärtig zu beobachten, daß diejenigen, die ihre religiösen Institutionen kritisieren, harschen Beschuldigungen, Diskriminierungen und Bestrafungen ausgesetzt sind. Dies gilt ebenfalls für alle die sich weigern, jeglicher Religion anzugehören. Restriktionen werden oft von den Regierungen selbst, die häufig dazu neigen, die vorherrschende Religion und den religiösen Klerus zu benutzen um ihre Existenz zu legitimieren und ihre Führung durchzusetzen, verfügt.

Darüber hinaus nutzen Religionsgemeinschaften religiöse Regeln oft als Vorwand, um ihre Mitglieder sozial zu kontrollieren.  

Die jüngsten Wahlen im Libanon zeigten jedoch eine deutliche Verschiebung der Präferenzen der Wähler:innen, die sich in großer Zahl von der sektiererischen  Trennung ab- und politischen Inhalten und Reformen zuwandten. Was sagt uns das über die arabischen Gesellschaften von heute? Was bedeutet dies für die religiöse und sektiererische Kontrolle der Gesellschaft? Und wer sind die Menschen, die sich an vorderster Front für die individuelle Religionsfreiheit einsetzen, das Recht auf Zivilehe unterstützen und es den Menschen ermöglichen, sich über sektiererische Grenzen hinweg zu setzen? Dies sind die Fragen, die wir uns stellten als wir das Thema für den diesjährigen Ibn Rushd Preis wählten.

Der Ibn Rushd Preis 2022 wurde daher ausgeschrieben für  ‘eine Institution oder eine Person, die die Religionsfreiheit in ihrer Region oder ihrem Land gefördert oder verteidigt hat‘.

Zum ersten Mal wählte die Jury eines Ibn-Rushd-Preises zwei Personen und ihre jeweiligen Organisationen als Preistragende aus – Nayla Tabbara und ihre Organisation ‘Adyan‘ aus dem Libanon und Saad Salloum und seine Organisation ‘Masarat‘ aus dem Irak. Die Jury wählte die beiden, die sich auf praktische Weise im Sinne des Preisthemas engagieren, „aufgrund der großen Anstrengungen, die sie in der libanesischen bzw. irakischen Gesellschaft und darüber hinaus in der arabischen Welt unternehmen, um die tatsächliche Ausübung der spirituellen Freiheit und der Solidarität zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens zu fördern und so die Menschenrechte und ein ziviles Leben auf der Grundlage von Freiheiten, einschließlich religiöser Freiheiten, zu stärken – und dies inmitten von extrem polarisierten Ländern, die von Gewalt und Fanatismus zerrissen sind“ (Zitat aus der Begründung der Jury).

Beide Organisationen setzen sich für religiösen Pluralismus ein. Und während der Schwerpunkt von Masarat auf Minderheiten im Irak und Studien zum kollektiven Gedächtnis liegt, setzt sich die Adyan Foundation für die Förderung einer inklusiven Staatsbürgerschaft, das Mainstreaming der Religions- und Glaubensfreiheit (FoRB) und den Schutz der Rechte von Frauen gegen Rechtsverletzungen durch die im Libanon geltenden Gesetze zum religiösen Personenstand ein.


Der Ibn Rushd Preis 2022 war ausgeschrieben für:

eine Institution oder eine Person, die die Religionsfreiheit in ihrer Region oder ihrem Land gefördert oder verteidigt hat – einschließlich der Freiheit von Religion und der Möglichkeit, eine andere Religion zu wählen, sowie der Freiheit vom Zwang, innerhalb derselben religiösen Gruppe zu heiraten – und somit nicht nur allen Arten von Sektierertum und dem Machtmissbrauch durch politische und religiöse Autoritäten entgegenwirkt, sondern den Pluralismus, die Toleranz und den gesellschaftlichen Frieden fördert.
Die Arbeit der Person oder Institution muss die Religionsfreiheit für alle nachhaltig gefördert und verteidigt haben, nicht nur für bestimmte Personen oder bestimmte Gruppen innerhalb einer Gesellschaft.


Die diesjährige Jury
des Ibn-Rushd-Preises
, bestehend aus Elizabeth Kassab (Libanon/Doha), Khazaal Al-Majidi (Irak/Niederlande), Asma Lamrabet (Marokko) und Nazmi Al-Jubeh (Palästina), wählte Omézine Ben Chikha Almeskini (Tunesien) aufgrund ihrer „bedeutenden philosophischen Beiträge zu einem liberalen Verständnis von Religion“ auf den zweiten Platz, und Abdeljabbar Rifai (Irak) für „sein jahrzehntelanges Bemühen, dem religiösen Denken neue Horizonte zu eröffnen, auch über die Grenzen einer Religion und eines Gebietes hinaus, trotz der großen Widrigkeiten, die den Irak in der jüngsten Geschichte heimgesucht haben“ (Zitate aus der Begründung der Jury) als Zweit- und Drittplatzierte.

Bei der Vergabe des 20. Ibn Rushd-Preises for Freedom of Thought hat der Ibn Rushd-Fund die seit seiner Gründung etablierten Prinzipien der Basisdemokratie fortgesetzt:

Zu Beginn jeder Preisvergabe wählen die Mitglieder des Ibn Rushd-Fonds aus einer vom Vorstand und Beirat erstellten Themenliste ein Thema für den Preis aus. Nach der offiziellen Bekanntgabe des Themas kann jede und jeder einen Kandidaten oder eine Kandidatin vorschlagen. In der Zwischenzeit wählt der Fund eine Jury von Expert:innen zu diesem Thema aus, die idealerweise aus fünf arabischen Ländern stammen und mindestens zwei Frauen einschließen. Die Jury arbeitet ehrenamtlich und unabhängig. 

Seit 1998 verleiht der Ibn-Rushd-Fonds seinen Preis an Personen oder Organisationen, die einen bedeutenden Beitrag zur Freiheit des Denkens in der arabischen Welt geleistet haben. Dieses Jahr ist ein außergewöhnliches Jahr für uns – wir feiern die Verleihung des 20. Ibn-Rushd-Preises for Freedom of Thought! 

Für einen Preis, der ausschließlich aus den Mitgliedsbeiträgen und Spenden der Mitglieder finanziert wird, ist dies eine große Leistung, und wir blicken auf 19 großartige Preisträger:innen und Organisationen zurück, die uns mit der Annahme unseres Preises geehrt haben.

Frühere Preisträger: https://ibn-rushd.org/wp/de/ibn-rushd-preis/

Ibn Rushd Fund
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