Der langsame Tod des Muhammad Lghalu

Ahmad Marzouki

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Die langen Wintermonate über mussten wir die bittere Kälte der kühlschrank-kalten Zelle barfüßig und in dünner Kleidung in
beinahe nacktem Zustand ertragen. Und im Sommer wären wir beinahe an der übermäßigen Hitze, dem Wassermangel, der verbrauchten Luft und den vorherrschenden üblen Gerüchen erstickt und ohnmächtig geworden.

Unsere Mägen waren ein Fünfteljahrhundert lang von den Schmerzen des entsetzlichen Hungers zerfetzt. Die Körper einiger von uns waren Skorpionbissen und einer ganzen Horde Ungeziefer, die mit uns im Dunkeln zusammenlebten, ausgesetzt.
Gewiss, wir alle erfuhren alle erdenklichen, schrecklichen Krankheiten und viele Formen des Elends, der Not und Entbehrung. Und wir mussten jede Art der Verachtung und Demütigung ertragen. Wir alle waren in den tiefsten Abgrund gesunken, in den nur schmutziger Abfall geworfen wird, und wir waren in den Augen unserer Henker die gemeinsten aller von Gott geschaffenen Kreaturen überhaupt. Trotz alledem würden wir nur die halbe Wahrheit sagen und falsche Verleumdungen verbreiten, wenn wir behaupten würden, dass wir auch nur halb so viel erleiden mussten wie „Ayoub von Tazmamart“, dem Hiob von Tazmamart, unserem verstorbenen Leidensbruder Muhammad Lghalu.

Muhammad Lghalu, der Älteste seiner Geschwister, wurde 1943 in eine arme Familie in Midschar, einem Vorort der Stadt Bulman, als Mitglied des Stammes Ingil, geboren. Sein Vater, ein einfacher Soldat der Königsgarde zeugte viele Kinder. Nach der Grundschule kam Lghalu in die Schule in Izru
und danach besuchte er die Königliche Militärakademie in Meknes. Aber er erbrachte keine hohen Leistungen in der Ausbildung und schaffte es beim Abschluss nur bis zum Unteroffizier. Er wurde im Generalkommando der Armee beschäftigt. Nach zwei Jahren kehrte er zur Akademie zurück und
machte diesmal seinen erfolgreichen Abschluss zum Offizier. Dann wurde er in die Royal Military School von Aharmoumou geschickt, um dort als Ausbilder tätig zu sein. Weil er für seine Willensstärke, seine Ernsthaftigkeit und seine Liebe zur Arbeit bekannt war, wurde er vom Direktor zum Leiter der technischen Einrichtungen befördert, eine wichtige Abteilung, die die Schüler auf die Kunstfertigkeiten des Krieges vorbereitet. In diesem Zusammenhang ernannte ihn Oberst Ababu am Abend vor dem Putsch von Skhirat zum Anführer einer Sondereinheit, dem eine zentrale Aufgabe in
Skhirat zugeteilt war. Er beauftragte ihn außerdem, General Habibi ins Schloss in Skhirat zu begleiten, um dort die Kontrolle zu wahren, nachdem Oberst Muhammad Ababu gegen den Befehl seines Bruders Mhamad das Schloss verlassen hatte. Lghalu erklärte später vor Gericht, dass General Habibi ihm auf dem Weg zum Schloss versichert habe, dass große militärische Verstärkung zur Unterstützung von Oberst Ababu nachkommen würde. Dies war sicher der Grund für seine Verurteilung zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Muhammad Lghalu war von kleiner Statur, er hatte eine helle Haut, ein rundes Gesicht, er war
gutaussehend. Er neigte zur Zurückgezogenheit. Die, die ihn nicht gut kannten, dachten, er sei schüchtern und in sich gekehrt. In Wahrheit war er friedfertig, sehr gesellig und humorvoll. Er war aber auch abergläubisch, er glaubte zum Beispiel, dass einige Menschen dazu geschaffen waren,
Elend auf den Weg anderer zu säen. Eines Tages kam er von dem Gefängnisbesuch eines Verwandten in seine Zelle zurück und sagte
wütend: „Gott bewahre mich vor dem Satan! Ich hatte einen schwerfälligen Gast. Anstelle dass er mich tröstet, wie es in solchen Situationen üblich ist, … wisst ihr, was er mir sagte? ‚Fasse Mut, Bruder, hab Geduld, du wirst sehen, die 15 Jahre Gefängnis sind nichts, sie werden – so Gott will – an
dir wie ein Traum vorbeigehen.‘ Bei Gott, so sagt mir, ist dieser Pechvogel gekommen, um mich zu besuchen oder um sich an meinem Unglück zu ergötzen?“

In Tazmamart brachte das Schicksal Lghalu in die Zelle Nr. 2, nicht weit vom Eingang zum Trakt 1.
Bevor er seine Zelle betreten durfte, musste er sich wie alle anderen Gefangenen einer gründlichen Untersuchung unterziehen. Aber ihm war es gelungen, ein kleines Transistorradio zu retten, das er tief in seinem Schoß versteckt hatte. Monate später kam ein Gefängniswärter, der ihn sehr mochte und ihn von seiner früheren Einheit kannte – es war kein anderer als Louis der Araber – zu ihm, um ihn vor einer möglichen Inspektion zu warnen, die der Direktor des Gefängnisses veranlassen würde. Er solle alles, was Verdacht schöpfen könnte, loswerden, sonst träfe ihn der Zorn des tollwütigen Direktors. Ohne zu zögern zerbrach Lghalu daraufhin das Radio in Stücke und drückte es tief in den Abguss der Toilette. Was ein fataler Fehler war: Alle Abwasserkanäle waren sehr eng – wir waren
viele Male gezwungen, mit bloßen Händen unseren Unrat zu beseitigen, wenn wir unseren Toilettengang gemacht haben. Ein Fehler, den er sich nie hätte erlauben dürfen. Jedes Mal, wenn er Stuhlgang hatte, war der
Vorgang mit Problemen begleitet, die ihn ungemein große Mühen kosteten. Wie auch nicht? Es war ja schon schlimm genug, wenn einige Kameraden gezwungen waren, bei zu festem Stuhl diesen zuerst in ihren Esstellern aufzufangen, um darüber Wasser zu gießen und ihn mit ihren Händen zu
zerbröckeln, bis der Kot weich wurde und sie ihn in die Toilette werfen konnten, um die schlimmen Folgen einer Verstopfung der Kanalwege zu vermeiden.

Wie erst einmal der arme Lghalu, der ohne es zu wissen mit seiner Fahrlässigkeit dem Tod entgegenlief. Den gesamten langen Tag über und einen großen Teil der bitterkalten Nacht verbrachte er auf Knien, die Hand mit einem Draht ausgestattet, am Abflusskanal und suchte damit rechts und
links vergebens nach dem verfluchten Teil des Radios, das seine Hölle mit einer zweiten Hölle vergrößerte. Er verzagte aber nicht und wurde nicht müde. Im Gegenteil, seine gescheiterten Versuche wandelten sich in tägliche Fleißarbeit um. Vielleicht hat ihn die Arbeit fasziniert und
gebannt, weil sie ihn vom Versinken in die schreckliche Leere von Tazmamart ablenkte.

Es vergingen Tage und Jahre. Durch die Kälte litt er zunehmend an einer Lähmung in den Knien, der Hüfte und der Wirbelsäule, wodurch er nicht mehr laufen und sich bewegen konnte, außer gestützt auf zwei Besenstielen. Trotz dieser großen Erkrankung blieb Muhammad Lghalu er selbst. Durch sein Durchhaltevermögen konnten ihm weder Kälte, Hunger noch Schmerzen etwas antun. Während er mit festen Schritten in die Abgründe des Todes hinabstieg, hielt er sich immer noch an einem
Hoffnungsfaden fest, ohne sich vor dem Unvermeidbaren zu fürchten. Es war nicht seine Gewohnheit zu klagen. Im Gegenteil, er versuchte, seine Freunde aufzuheitern, wenn ihre Widerstandskraft darniederlag oder sie sich eine schnelle Erlösung herbei wünschten. Einmal konnte er einen
Kameraden sogar davon abhalten, Selbstmord zu begehen, … der lebte weiter, während er starb. Von Zeit zu Zeit überraschte er uns mit einem wunderschönen traditionellen Berberlied, welches in diesen dunklen Trakten wie der Vogelgesang im Frühling war, die Luft getränkt mit Blumenduft und Vogelgezwitscher, dem Rauschen der Bäume und Tosen der Wasserfälle des Altas-Gebirges, das ein Symbol für Freiheit, Liebe und Aufbruch war. Wir wussten, dass er für uns nur in der Stunde der
größten Niedergeschlagenheit sang, wenn die Sehnsucht am heftigsten und der Schmerz am größten war: „Oh, Felsen, auf dem meine Geliebte gesessen hat Sag ihr, die Wege zu dir sind abgeschnitten, und die Briefe weniger geworden“ Ende der 1970er gelang es ihm, einen Cousin über einen Koch zu kontaktieren, der seine Familie gut kannte und in den Gefängnistrakt kam und vortäuschte, der Wache helfen zu wollen. Lghalu überreichte ihm einen Brief, in dem er seinem Cousin seine schlimme Situation schilderte und ihn anflehte, ihm Geld zu schicken, das er sich von ihm leihen würde, um Medikamente und Vitamine kaufen zu können. Ungeduldig und mit großer Besorgnis wartete Lghalu lange auf Antwort. Als diese endlich kam, war sie mit einem stechenden Messer der bitteren Enttäuschung begleitet: Das Verhalten seines Cousins war unverschämt und feige. Lghalu warf den Brief weg und dankte den Umständen, die ihn vor einem lästigen Schuldner bewahrt hatten. Der Arme bekam einen solchen Schock, dass seine Hände davon einen Tag lang gelähmt waren. Aber es dauerte nicht lange, da hatte er sich von seinem Schock wieder erholt und war wieder mit seinem
gewohnten Lebensmut aufgestanden, wie er auch damals aufgestanden war, nachdem er die erste Erschütterung erlebte, als seine Verlobte sich, kaum war das Gerichtsurteil gefallen, von ihm trennte, ohne ihn vorher zu konsultieren. Er war nicht egoistisch oder dumm genug zu erwarten, dass sie ihr ganzes Leben für ihn opfern würde. Aber wie sehr hätte er sich in dieser Stunde von ihr ein nettes, tröstendes, zärtliches Wort gewünscht, danach wäre die Trennung wie das erste Treffen barmherzig
gewesen. Das aber war das unvermeidliche Los einer Zweckehe, die nach dem Prinzip der Milchkuh geht: Gibst du ihr Futter, gibt sie dir ihren Euter. Fehlt das Futter, versiegt ihre Milch und sie tritt dich grob und stößt dich mit ihren Hörnern. Obwohl Lghalu die schwierige Situation überwinden konnte, war er nicht imstande, die vielen Krankheiten, die wie eine Schar schnappender, giftiger Schlangen auf ihn zu kriechen begonnen hatten, zu besiegen.

So geschah es, dass seine Muskeln anfingen, ihm nicht mehr zu gehorchen, was ein Zeichen der sicher eintreffenden Lähmung war. Er konnte nur mit großer Mühe auf seiner Pritsche aufrecht sitzen. Der Toilettengang war für ihn nicht mehr möglich, da verrichtete er seine Notdurft im Bett.
Jedes Mal, wenn ihm das Liegen auf der Seite schmerzte und er versuchte, sich aufzusetzen, um sich an die Wand zu lehnen, überkam ihn heftiger Schüttelfrost und er zitterte als wäre er vom Stromschlag erfasst.
Als es die Gefängniswärter leid waren, immerzu zu ihm hingehen zu müssen, um ihm Essen und Wasser zu reichen, nahm ich die Gelegenheit wahr und bat sie, mich in seine Zelle umziehen zu lassen, damit ich ihm helfen konnte. Normalerweise wurde das als Verstoß gegen die Regeln dieses höllischen Gefängnisses gesehen. Nach einem Zögern und der Beratung der Wärter untereinander gingen sie auf mein Angebot ein, nicht etwa, weil sie Erbarmen und Mitleid mit Lghalu hatten, sondern, um sich nicht mit seinen Krankheiten anzustecken.

So geschah es, dass ich meine wenigen, zerrissenen Kleider einsammelte und in Zelle Nr. 2 einzog. Damals litt ich selbst an starken Gliederschmerzen und stechenden Bauchschmerzen, die auf ein verdammtes Magengeschwür zurückzuführen waren.

Als sie die Tür hinter sich schlossen und wir in Dunkelheit versanken, näherte ich mich meinem auf der Bank liegenden Freund, um ihn mit meinen an Dunkelheit gewöhnten Augen anzusehen. Aber was sah ich da? Ein menschlicher Haufen Elend, der eher einer Beute glich, die von wilden Löwen halb gefressen war und von der nur noch die Knochen übrig waren. Muhammad Lghalu war nur noch ein Skelett aus zerfallenen Knochen. Ihn unterschied nichts von einer alten Leiche, außer seiner auf Rücken und Schultern liegenden Haare und dem dichten Bart, der ihm bis auf die schmale Brust fiel und die Hälfte von ihr bedeckte. Was seine Finger und Fußnägel betrifft, so waren diese versteinert und auf erschreckende Weise lang geworden. Mir wurde schwindelig und ich verspürte das Bedürfnis, mich zu übergeben wegen der penetranten Gerüche, die mit Wucht in meine Nase eindrangen und sich wie Nadeln und Nägel in meine Lunge bohrten. Dieser Mann hatte schon eine Ewigkeit lang in sein Bett uriniert, er war von unten und von allen Seiten von faulen Pfützen und Kot umgeben. Während ich all mein Inneres herauskotzte, kreisten in meinem Kopf viele Fragen.

Wie konnte Lghalu nur so lange schon in dieser erschreckenden Weise durchhalten, während andere Menschen, die in Wohlstand lebten, trotz exklusiver Arztpraxen in Paris und London wie die Fliegen starben? Gab es im ganzen Land nicht einen noblen Mann, der angesichts dieser Ungerechtigkeit, bei der der Thron des barmherzigen Gottes voller Verachtung und Wut gebebt haben muss, sich auflehnt? Und vor allem und nach allem musste man sich fragen, welchen Nutzen hatten die Henker von all diesen Foltern? Hätten sie diese grässlichen Qualen nicht mit einer barmherzigen Kugel verkürzen können?

Diese Fragen blieben an den Wänden der Zelle Nr. 2 hängen. Ich machte mich auf, ohne Seife meinen Freund, soweit es ging, zu reinigen. Ich tauschte seine an seiner geschundenen Haut klebenden Kleidung gegen eine „saubere“ aus – sauber nach dem Sauberkeitsmaßstab von Tazmamart.
Nebenbei bemerkt: das sauberste Hemd, das wir hatten, hätte der schmutzigste aller Mensche niemals getragen. Ich schnitt seine Haare, den Bart und schnitt seine Nägel mit einem scharfen Metallteil, das ich mitgenommen hatte. Dann versuchte ich, ihn aufzuheitern, indem ich ihm schöne Erinnerungen zurückrief, die uns in unserer Fantasie in Blitzeseile aus den Mauern von Tazmamart entführten. Wir tauschten Witze aus, bis er so lachte, dass er von dem Zittern der Brust Schmerzen bekam.
Ein Monat verging auf diese Weise, bis sich meine eigene Gesundheit verschlechterte und ich gezwungen war, wieder in meine eigene Zelle Nr. 10 zurückzukehren. Nach mir übernahmen die Brüder Abd ar-Rahman Sidqi, dann Muhammad al-Afyawi, dann at-Tigani ibn Radwan, dann Ahmad Buhida und Abdel Karim as-Saoudi die Schicht. Schließlich kam Ben Issa ar-Rashidi, der Bewohner von Zelle Nr.1 an die Reihe. Er blieb zwei bis drei Jahre lang mit Lghalu in der gleichen Zelle zusammen. Währenddessen umsorgte er seinen Freund aufopferungsbereit und hingebungsvoll, Charaktereigenschaften, wie es sie kaum noch unter den Menschen gibt. Es fügte sich, dass in dieser Zeit einige der Insassen sporadischen Kontakt mit den eigenen Familien hatten, die hin und wieder Medikamente und Vitamine sammelten und an Lghalu schickten. Ein weiterer Glücksfall war, dass unser Kranker von der einheimischen Medizin, einem Kräuterextrakt, profitieren konnte, den der nette Gefängniswärter, Louis der Araber, wann immer er konnte, für ihn besorgte. Seine Gesundheit und seine Moral verbesserten sich so sehr, dass er sogar wieder Kraft hatte zu stehen und ein paar unsichere, schwerfällige Schritte – auf Besenstiele gestützt– zu machen, als sei er ein kleines Kind, das die ersten Gehversuche macht.
Ben Issa ar-Rashidi spielte bei all dem eine wichtige Rolle der Menschlichkeit, dessen Reichweite keiner erahnen konnte. Wir haben ihn zu recht „Der mit den goldenen Händen“ genannt. Denn neben seiner intuitiven Einfachheit und tiefen Großherzigkeit war er auch ein guter Handwerker, ein guter Schneider, ein guter Schuster, ein guter Ausmister, ein guter Kaligraph, ein guter Sänger, ein guter Pantomime, ein guter Zeichner und ein guter Dichter. Und weil er die Einsamkeit verabscheute, gefiel es ihm und freute ihn, einen Partner zu finden, der ihm Gesellschaft leistete. Er setzte all seine Talente ohne nachzulassen ein, um für seinen Freund zu sorgen, und er hat es geschafft, ihn mehrere Jahre vor dem unvermeidlichen Verrecken zu retten.

Dann stürzte wie ein Sturm ein ungerechtes Schicksal über uns herein, am Tag der SchreckensInspektion vom 13. Juli 1982, der für uns alle katastrophale Folgen hatte. Die Rechnung, die Lghalu jedoch bezahlen musste, war die schlimmste und schrecklichste. Ben Issa ar-Rashidi, der sein Auge, seine Hand und seine Beine gewesen waren, wurde von der Wache in seine Zelle zurück verlegt, um dort einige Monate später zu sterben.

Lghalu blieb allein ohne Hilfe, um erneut der Fäulnis und der Lähmung ausgesetzt zu werden, in einer Zelle, in der er noch nicht einmal imstande war, auf dem Bauch zu kriechen, um sein Essen einzunehmen. Schließlich jedoch zwangen die schlechten Gerüche, deren faule Winde Nase und Lunge zu durchbohren begannen, die Gefängniswärter, die teuflischen Regeln schnell wieder zu ändern und dem benachbarten Gefangenen Ahmad Buhida zu erlauben, einige Minuten am Tag zu Lghalu zu gehen, um ihm Wasser und Mahlzeiten zu reichen und schnell wieder in seine Zelle zurückzukehren.

Jedoch befand sich Ahmad Buhida selbst in einer sich verschlechternden gesundheitlichen Situation.
Er klagte über ein Geschwür im Schädel und spürte eine Lähmung in den Körpergliedern, weshalb er nur langsam und schwerfällig imstande war zu laufen, was ihm oft den Hohn der Wächter einbrachte, die ihn beschimpften. In diesem bedauernswerten Umstand begann unsere Moral Tag für Tag zu sinken, wie ein großer Felsen, der mit aller Wucht von der Spitze eines hohen Berges herunterrollt und am Talboden dann mehrfach zerkleinert und zerbröckelt ankommt.

Am 23. März 1983 übergab Ben Issa ar-Rashidi seine Seele seinem Schöpfer, nachdem er mit heldenhaftem Mut dem Tod Widerstand geleistet hatte. Für Lghalu war sein Tod ein großer Schock, er hatte ihm so viel Gutes zu verdanken. Nach Ben Issa ar-Rashidi folgte at-Tigani ben Radwan, er starb am 26. August des gleichen Jahres an den Folgen eines Fiebers, an dem er einem Monat lang gelitten hatte. At-Tigani ben Radwan hatte dem gleichen Regiment angehört, bei dem Lghalu gewesen war, bevor er und at-Tigani zusammen die Akademie besucht hatten. Sie hatten gemeinsame Erinnerungen. Das war der zweite große Schock für Lghalu.
Schließlich kam Hamu Biti an die Reihe im März 1984 nach langer grauenvoller Krankheit, die es nur in Legenden und Heldensagen gibt und die er bis zum Schluss tapfer ertragen hat.

Während all dieser Zeit lag Lghalu auf seiner linken Seite, Opfer einer vollständigen Lähmung, von der nur sein rechter Arm verschont geblieben war. Ahmad Buhida tat Heldentaten. Er nutzte jedes Mal seine Langsamkeit aus, wenn er zu Lghalu reinkam, und versuchte, Zeit zu gewinnen, um die Liege des Kranken oder einige Erledigungen noch für ihn zu machen. Hin und wieder bat er die Gefängniswärter, ihm mehr Zeit zu geben, um Lghalu auf die rechte Seite umzudrehen, jedes Mal, wenn die linke Seite von der Reibung seines Körpers am nackten rauen Zement zu eitern begann, als Folge der sich durch diverse Körpersäfte bildenden Feuchtigkeit. Buhidas Flehen fand oft kein Gehör:
Einige Gefängniswärter verhielten sich wie schädliche, wilde Tiere, so dass wir manchmal diesen oder jenen Unbarmherzigen gemeinsam anflehen mussten, bis er sich nach ein bis zwei Tagen Arroganz und Ablehnung schließlich erweichen ließ.

Auch die Mühen von Hamida (wir nannten ihn auch Buhida) brachten am Ende nichts, angesichts seiner tragischen Situation, die eine ganze Truppe von spezialisierten Ärzten gebraucht hätte. Denn, als der Unrat sich auf alarmierende Weise mehrte und die Liege im Dauerzustand – als Folge des kontinuierlichen Urinierens – nass war, wurde die Haut an den Seiten wund. Zwischen der Haut und dem Pritschenboden lag nur ein zerrissenes, dünnes Laken. Der Zustand wurde schlimmer, als die Rückenhaut sich löste und sich Fieber seines ganzen Körpers bemächtigte. Dieser arme Mann schmolz langsam dahin wie Butter auf kleinem Feuer in der Pfanne,… mit einer Tapferkeit, für die es keine Beschreibung noch Worte gibt.
„Gott, wir bitten dich, in deiner Gnade, die alles umfasst, Lghalu einen barmherzigen Tod zu geben“, so haben wir für den Gemarterten und Gequälten von ganzem Herzen gebetet. Aber er starb nicht.
Es war unglaublich, etwas Rätselhaftes, das aus der Welt des Wahrscheinlichen in die Welt der Wunder ging. Inmitten des Teufelskreises dieser tollwütigen Angelegenheit gab es dennoch einen Schimmer von Licht, der ihm von Zeit zu Zeit einen Funken Leben einflößte. Es war die strahlende Seite des Menschen, die immer wieder in der Person des guten Gefängniswärters, Louis der Araber, offenbart wurde. In seiner stillen Empathie vergaß der Mann, dass er selbst Vater von sieben Kindern war. Er ging das Risiko ein und tat das Unmögliche, wissend, dass die Schlacht von Anfang an verloren war. Aber er weigerte sich, sein Gewissen zu verlieren. Einmal waren es Medikamente und Beruhigungsmittel, die er ihm gab, ein anderes Mal eine leckere Mahlzeit, die seine nette Frau zubereitet hatte. Seine Hoffnung war, ihm an einem Tag den Schmerz zu lindern. Und „Lghalu, das Wunder“, ertrug alles ohne Klagen und Jammern. Alles in ihm war gestorben, nur seine Seele und seine Stimme nicht. Er unterhielt sich jeden Tag mit uns in einer klaren Stimme, an der keine
Schwäche zu erkennen war. Dazu konnte er amüsante Geschichten erzählen, bis unser Lachen aus tiefem Herzen erschallte und auch er darüber lachte, bis seine Brust vom Beben schmerzte. Und während er so Schmerzen empfand und sich dabei ein Stück Haut vom Schenkel löste und der Knochen auf dem Boden rieb und das Fieber in ihm brannte, begann er mit leidenschaftlicher Stimme, sein Lied von den Spitzen des Atlasgebirges zu singen, das nichts als der Schrei seiner tiefen Bitterkeit war:

Meine Geliebte, wenn ein Treffen zwischen uns unmöglich wird, So lass uns in einer langen, langen Umarmung verschmelzen. Wenn wir sterben und zusammen begraben werden Und unsere Knochen im Grab sich in die Arme nehmen, Sei gewiss, Geliebte:
Wir werden im Rachen des Vogels eine Melodie eintröpfeln
Und im Nektar der Blume einen schönen Duft streuen.

Ende 1984 klopfte Amerika mit aller Macht an die Zellentür des Oberleutnants Mbarak at-Tawil, um ihn allein vor dem sicheren Tod zu retten. Für uns war es ein großer Sieg über unsere Henker, weil die westliche Zivilgesellschaft nun gänzlich über die Hölle, in der wir uns befanden, Bescheid wusste.

Oberleutnant Mbarak at-Tawil wusste, wie er mit diesem Ereignis umzugehen hatte, nachdem er durch den Druck des amerikanischen Botschafters in Rabat zu einem Programm gehörte, das ihm besondere Rechte einbrachte. Er konnte den Direktor des Gefängnisses überzeugen, einigen Gefangenen zu erlauben, Lghalu zu besuchen, um ihn zu waschen und seine Schmerzen zu lindern.

Der Direktor gab nur aus dem alleinigen Grund nach, weil er fürchtete, dass im Falle einer Freilassung des Oberleutnants er die volle Verantwortung für alle Auswüchse tragen müsste. Der Teufel war sich nicht mehr über die Unvermeidlichkeit unserer Auslöschung sicher und, dass mit uns unsere Geheimnisse im Innenhof des Gefängnisses mit begraben werden. Dieser tief verankerte Glaube war jetzt, nachdem Amerika mit ins Spiel kam, zerrüttet, und es war höchste Zeit, dass er für alle Möglichkeiten Vorkehrungen traf. Deshalb umwarb er den Oberleutnant, indem er ihm für Lghali ein Fläschchen Desinfektionsmittel Mikro-Chrom, Watte und Verbände brachte. Es war das erste Mal, dass wir auf dem offiziellen Weg Medikamente nach Tazmamart bekamen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich meine Gesundheit einigermaßen verbessert.

Ich meldete mich nun freiwillig, um zusammen mit Hauptmann Muhammad Ghalul zu Lghalu zurückzugehen und ihm zu helfen.
Im schwachen Licht, das von der Tür kam , die der Gefängniswärter halb offen stehen gelassen hatte, blickten wir auf einen Anblick von größter Grausamkeit und Barbarei. Es war ein Anblick, bei dem ein Marokkaner mit noch so geringem Gefühl von Nationalstolz, wenn er ihn gesehen hätte, vor Scham und Schmach in den Boden versunken wäre. Wie kann Marokko es rechtfertigen, seine Söhne in diesen tiefen Abgrund einer Hölle zu werfen? Wie können einige Verantwortliche sich im Geheimen auf diese Weise wie professionelle Killer verhalten?

Lghalus Körper war auf erschreckende Weise eingeschrumpft, es war von ihm nichts als der verkrüppelte Körper eines neunjährigen Kindes geblieben,… eines Kindes mit Bart, der an einigen Stellen ergraut war und jetzt seinen gesamten, dünnen Brustkorb bedeckte, eines Kindes mit grauen, zotteligen Haaren, die über seine eingefallenen Schultern wie Zöpfe fielen, die in glitschiger Erde zertrampelt erschienen. Als ich mit Hauptmann Muhammad Ghalul versuchte, Lghalu auszuziehen, löste sich ein Stück Haut mit einem Fetzen zerrissenem, nassem Hemd, und einige seiner Knochen lagen offen. Nackt war Lghalu ein fürchterlich entstelltes Skelett, das von einem Sack zerfetzter, durchlöcherter Haut umhüllt war. Von ihm ging ein Geruch des Todes aus. Ein Gestank, der die Folge des langen Ausscheidens von Eiter, Blut, Urin, Stuhl und Schweiß war. Auf dem Rücken und den Leisten hatte sich die Haut gelöst, sein Brustkorb war halb eingefallen; sein Becken war von hinten flach auf eine Weise, die einem vor lauter Schrecken und Entsetzen Schüttelfrost bereitete. Das Desinfektionsmittel Mikro-Chrom brachte für die Wunden keinen Erfolg mehr, wir nahmen stattdessen ein Insekten- Pestizid, DTT-Pulver, das wir alle als Balsam für unsere Wunden benutzten.

Auf diese Weise tat sich dank der Angelegenheit von Oberleutnant Mbarak at-Tawil eine weite Tür der Hoffnung für Lghalu und uns auf. Auch andere Gefangene solidarisierten sich mit Lghalu und teilten sich die Aufgaben, auch ihnen wurde es gestattet, einmal alle zwei Tage zu ihm zu gehen, um ihn zu waschen und seine Wunden zu verarzten. Das wunderbare Dreierteam – bestehend aus Hauptmann Ghalul, Ahmad Buhida und Abdel Karim Shawi – bildete das barmherzige Krankenpflegeteam. Tag und Nacht waren sie im Einsatz, um die Krankheit ihres Kameraden zu lindern. Über viele Jahre haben sie die besten Beispiele gegeben für Opferbereitschaft und Selbstaufopferung. Sie waren in jener Welt die Propheten des Friedens und barmherzige Engel.

Lghalu ertrug es nicht mehr, auf seinem Rücken zu schlafen, er war gezwungen, auf der Seite zu liegen. Das war schwierig umzusetzen. Man musste ihn auf die linke Seite drehen, sobald die Wunden geheilt waren, um dann die Wunden und Stellen der Vermoderung mit Pestiziden zu bestreuen. Dank dieser enormen Mühen hatten die Schmerzen des Gelähmten nachgelassen, seine Wunden jedoch heilten nicht. Aber er zeigte keine Schwäche und brach nie zusammen.

Eines Tages wollte der Gefangene Hauptmann Hushad Lghalu einen Krankenbesuch abstatten, welches ihm durch die Einmischung von Oberleutnant Mbarak Tawil auch gewährt wurde. Zusammen mit dem Oberleutnant Mbarak Tawil traten sie mit einer Kerze in die Zelle des Kranken ein. Dieser hatte den Hauptmann Hushad bisher noch nie gesehen. Als der Hauptmann an ihn herantrat und sein Gesicht mit dem langen roten Bart an das Gesicht Lghalus hielt, da öffneten sich plötzlich die großen grünen Augen des letzteren und Lghalu fing an, seine Lippen in humorvoller Weise zu dehnen, was die Leere seines zahnlosen Mundes betonte. Lghalu stierte ihn eine Weile an, dann brach er in ein hysterisches Lachen aus, das seine Brust vor Kichern und Schmerz erbeben ließ. Oberleutnant Tawil fragte Lghalu, ob er den Mann kenne. Er antwortete, immer noch mit seinem Lachen kämpfend: „Ja sicher, ich kenne ihn gut. Es ist Salambo, er sieht jenem alten Mann in dem Film Salambo ähnlich.
Salambo habe ich persönlich kennen gelernt, als sie mich mit ein paar jungen Männern im Dorf als Statist engagiert haben, für den Film, in dem einige Szenen in unserer Gegend spielen.“ Als sein Lachen abebbte, sagte er traurig: „Bist du es, Hushad? Ich habe dich in meiner Vorstellung ganz anders vor Augen.“

Hushad half unserem Kranken, soweit es ging, seine Medikamente einzunehmen. Seine Hilfe war nur mit Unterbrechungen möglich, weil viele der Gefangenen ihn aufforderten, ihnen auch zu helfen, Kontakt nach außen herzustellen. Oberleutnant Tawil wurde nicht müde, Lghalu zu pflegen und an seiner Seite zu stehen. Vielleicht ist es vor allem ihm zu verdanken, dass sein Leben sich um einige Jahre verlängerte.
Eines Nachts hörten wir Lghaliu vor Schmerzen stöhnen, wie wir es von ihm bisher nicht kannten. Als wir ihn nach dem Grund fragten, antwortet er, die kleinen Tüten, die die drei Freunde unter seine Schultern und Becken gelegt haben, um seine Seite von dem schmutzigen Bett zu isolieren, seien weggerutscht. Er lag plötzlich auf dem Rücken. Seine beiden gelähmten Beine standen in der Luft und drohten, ihn von der Liege auf den Fußboden herunterzureißen. Die Pritsche war etwa 90 cm vom Boden entfernt. Unsere Herzen verkrampften sich aus Angst, dass dieser schmerzvolle Unfall geschehen könnte und wir nichts tun konnten. Wir erhoben unsere Stimmen, um den Mann zu ermutigen, sich seiner rechten Hand, die von der Lähmung immer noch unversehrt geblieben war, zu bedienen. Lghalu aber bat uns entschieden, still zu sein und sprach in trauriger, zittriger Stimme zu uns: „Meine Lieben, ich werde fallen, da gibt es keinen Zweifel. Ich habe daher nur noch einen kurzen Moment, lasst mich ihn nutzen, mich von euch allen ein letztes Mal zu verabschieden, ich würde gerne…“ Er konnte seinen Satz nicht beenden. Wir hörten, wie sein Körper mit voller Wucht auf den Fußboden seiner Zelle landete, einen dumpfen Schlag erzeugend. Danach war Grabesstille.

Es verging nur ein kurzer Moment, dann ertönte hier und da das Schluchzen einiger Gefangenen, die ihre Trauer offen kundgeben wollten über den Verlust von „Ayoub von Tazmamart“, ein Fels im Leiden, der er über 20 Jahre lang für uns war, ein Symbol für Geduld, Ausdauer und Widerstand.

Lghalu antwortete nicht auf unsere wiederholten Rufe. Inmitten der dunklen Nacht begannen wir, in einem Ansturm wild auf die Türen einzuschlagen. Mit rauen Stimmen, die uns unsere Verzweiflung und Verlorenheit noch mehr spüren ließen, riefen wir die Gefängniswärter. Unser Echo hallte von den verlassenen Mauern zurück, als wären es die Schreie Verrückter, die aus den Spalten der Wände aus der Hölle gekommen waren. Nach ungefähr einer halben Stunde hörten wir die Schlüssel in der Tür des Traktes. Zwei Wärter kamen herein. In ihren Gesichtern war Angst zu sehen, an der Schwelle standen Soldaten, ihre Gewehre auf uns gerichtet, ihre Finger am Abzug, bereit beim ersten Befehl zu schießen.

Der Fahrer des Direktors, der Schuft Hamu, sagte in einem verärgerten, heiseren Ton: „Was ist denn?
Warum all dieser Lärm?“
Als wir ihm erzählten, was es war, öffnete er die Tür zu Lghalu und hielt die Lampe hoch, um genauer sehen zu können. Dann schloss er die Tür meiner Zelle und die von Tawil und Hamida auf und befahl den beiden, zum Kranken zu gehen. Als sie ihren Freund untersuchten, merkten sie, dass sich seine Brust immer noch hob und senkte, er war bewusstlos. Der Fahrer des Direktor Hamu wartete, bis sie ihn an seinen alten Platz gelegt hatten und befahl ihnen dann, die Zelle zu verlassen. Als die Türen verriegelt waren, bellte er uns mit hochmütiger Stimme empört an:
„Wegen eines Gefangenen, der von seiner Liege gefallen ist, macht ihr so einen Ärger? Hättet ihr Schurken nicht warten können, bis wir am Morgen gekommen wären? Wenn sich so etwas wiederholt, ich schwöre euch, ich untersage euch für mehrere Tage Wasser und Essen als Strafe für dieses schändliche Verhalten!“ Dann knallte er die Tür des Trakts hinter sich zu und ging wütend raus. Dies war das erste Mal in der Geschichte von Tazmamart, dass Gefängniswärter zu uns in der Nacht kamen.
Lghalu starb auch dieses Mal nicht. Er kam zu sich, um den Weg seines Leidens weiter zu gehen.

Dieser barbarische Lebensweg, der ihm nichts einfach machte. Nur die Beständigkeit seiner barmherzigen Krankenpfleger und die Solidarität seiner armen Freunde, die ihm damit ihre tief empfundene Liebe und ihren großen Respekt erwiesen, halfen ihm, es besser zu ertragen.
Der Herbst war wie immer kalt und traurig. Es folgte der Winter, der uns weitere Geschenke des weißen Schmerzes bescherte, das Nagen der milchigen Kälte, die unsere Knochen klappern ließ und Unheil am Körper brachte. Die Sense des Todes schlug dieses Mal in Trakt 2 zu, dort nahm er regelmäßig und präzise seine Arbeit auf und erntete eine Seele nach der anderen.

Eines Tages ging Hamida wie immer Lghalu besuchen, um ihm ein Stück Brot und einen Kaffee anzubieten. Doch als er ihm einen guten Morgen wünschte, kam von Lghalu kein Gruß zurück, wie er es immer zu tun pflegte. Hamida berührte ihn und fand nur eine von Frost erstarrte Leiche. Hamida ging schnell raus und sagte es der Wache. Da wandte sich der Gefängnisaufseher Al-Arabi Amziyan an einen seiner Untergebenen und sagte: „Wähle dir einen der Gefangenen, der noch nicht verrückt geworden ist, aus, dass er dir den Tod aus Zelle 1 bestätigt.“ Der Wärter wählte Hushad, der die Richtigkeit der Nachricht bestätigte.

Dies also war das Ende des Offiziers Lghalu. Sein Licht erlosch am 03. Januar 1989, 15 Jahre nach seiner schrecklichen Erkrankung, von denen er 11 Jahre lang in gelähmtem Zustand verbracht hat, während derer er Qualen erleiden musste, die man sich weder vorstellen, noch malen, noch erklären, noch beschreiben kann. Er starb in heroischer Stille, ohne zu klagen oder zu stöhnen, wie ein kleiner Vogel, der durch Kälte erlischt, ohne dass sich irgendeiner nach seiner Leiche umdreht. Lghalu starb und hinterließ uns seine Willenskraft und brennende Fragen, die wie Eisen in unseren Köpfen verankert sind:

Was jetzt? Was haben unsere Henker von all den verrückten Qualen gehabt? Eine Belohnung? Ruhm? Reichtum? Rang? Ordenszeichen? Beförderung? Medaillen? Wo bleibt dabei die Angst vor Gott? Wenn ihre Angst vor Gott nicht da ist, wo ist dann ihr Gewissen? Wo sind die Werte? Die Prinzipien? Wo ist der Mensch in ihnen? Ist Erschießung durch Kugeln nicht einfacher und barmherziger, wenn ihre Absicht zu töten doch das unumstrittene Ziel ist?

Die Antwort kommt vom Himmel, zärtlich und barmherzig, heilsam und umfassend zugleich: „Hierauf, nachdem das alles geschehen war, verhärteten sich eure Herzen, so dass sie schließlich wie Steine waren, oder noch härter. (Denn) unter den Steinen gibt es welche, aus denen Bäche hervorbrechen, und andere, die sich spalten, worauf Wasser aus ihnen herauskommt, und wieder andere, die aus Furcht vor Gott von den Berghängen herunterkommen. Gott gibt sehr wohl Acht auf das, was ihr tut.“ Sure 2, Vers 74 [Koran, übers. Rudi Paret].

Aus dem Arabischen: Abier Bushnaq
Tazmamart: az-zinzana raqam 10, Tarik li-n-nashr, Casablanca 2009, 153-164.

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