Begrüßung des Funds

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Begrüßungsrede des Direktors des Islamischen Museums (Pergamon Museum Berlin), Dr. Stefan Weber, anlässlich der Verleihung des Ibn Rushd Preises 2012 an Razan Zaitouneh.
Begrüßungsrede des Ibn Rushd Funds (vorgetragen von Dr. Abier Bushnaq) anlässlich der Verleihung des Ibn Rushd Preises 2012 an Razan Zaitouneh.

Begrüßungsrede des Ibn Rushd Funds anlässlich der Verleihung des Ibn Rushd Preises an Razan Zaitouneh am 30.11.2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Gäste!

Ich freue mich, Sie im Namen des Ibn Rushd Funds heute alle hier – bei der diesjährigen Verleihung des Ibn Rushd Preises für Freies Denken an die syrische Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Razan Zaitouneh – begrüßen zu dürfen.

Ganz besonders begrüße ich an erster Stelle

  • Razan Zaitouneh, unsere Preisträgerin, die heute den Preis leider selbst nicht entgegen nehmen kann. Razan Zaitouneh befindet sich seit März 2011 im Untergrund, nur unter großen Umständen und großen Risiken hätte sie kommen können, aber es war auch ihr ausdrücklicher Wunsch, in Syrien zu bleiben, da sie Ihre Leute in dieser entscheidenden Zeit des Aufstandes nicht allein lassen möchte. Frau Zaitouneh, wir grüßen Sie aus dem fernen Berlin und sind in Gedanken mit Ihnen.
  • Stellvertretend wird der namhafte syrische Philosoph Sadiq Jalal al-Azm den Preis entgegennehmen. Herr Azm, wir freuen uns, dass Sie da sind!
  • Ebenso freue ich mich ganz besonders, unseren diesjährigen Laudator Prof. Udo Steinbach, Leiter des Governance Center Middle East/North Africa an der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin zu begrüßen. Prof. Steinbach, wir bedanken uns herzlich für Ihr Kommen, und dafür, dass Sie uns mit Ihrem wichtigen Beitrag unterstützen, Razan Zaitouneh heute zu ehren. Herzlich willkommen!
  • Ganz herzlich begrüßen und danken wir auch Dr. Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin, für die gute Zusammenarbeit und dafür, unsere Feier hier in diesen wunderbaren Räumlichkeiten schon zum dritten Mal veranstalten zu dürfen.

Freiheit, das bedeutet ja manches Mal, das denken zu können, was für viele „undenkbar“ erscheint, es bedeutet manches Mal, gegen den Strom zu schwimmen, und es bedarf manches Mal auch vielen Mutes, diese Gedanken zu Wort zu bringen und in Tat umzusetzen.

Die Arabische Welt steht vor großen Herausforderungen. Das Alte ist noch vorhanden, das Neue noch im Prozess der Entstehung mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten, Problemen und Spannungen. Wir wissen, dass die Wiedergeburt dieses uns so wichtigen Teils der Erde nicht einfach sein wird. Es bedarf kreativer Ideen, neuer Konzepte und Methoden, die das auf Tyrannei basierende Alte zersprengen und eine neue Zukunft aufbauen: in der alle Menschen die gleichen Rechte haben und vor dem Gesetz in Rechten und Pflichten gleich gestellt sind, ein Leben ohne Furcht und in Würde führen können, in dem es wirtschaftliche, soziale und persönlich individuelle Entwicklungschancen für alle gibt, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Religion, Volksgruppe oder Familie, ein Leben, in dem nicht nur die Grundbedürfnisse erfüllt werden.

Die Frustration, die sich in der arabischen Welt in den letzten Jahrzehnten breit gemacht hatte, ist eng mit der Entwicklung des öffentlichen Bewusstseins und mit dem Nicht-fahig-sein, den status quo noch länger zu ertragen, verbunden. Das, was sich unterschwellig in den Menschen verändert, bricht nun – seit zwei Jahren – gewaltig wie ein Vulkan aus. Der Geist „des Volkes“ entwich aus der Wunderlampe, in der er still und geduldig ausharrte, und strömte aus zu den Straßen und Plätzen. Er ruft lautstark die Forderungen nach Wandel, widersetzt sich politischer Tyrannei und Unterdrückung, und bemängelt das Fehlen wirtschaftlicher Freiheiten. Das Bewusstsein über Unrecht hat sich weiter geschärft, die Menschen skandierten: „Es gibt ein Ende der Geduld“. Der Wille des Volkes hat sich von der Falschheit und dem Betrug befreit. Dieser erste Schritt der Überzeugung ist angekommen, täuschen lassen will man sich heute nicht mehr.

Dass der Weg in die Selbstbestimmung und die Freiheit ein schwieriger sein wird, ist allen bewusst. Dies wird durch die Nachrichten aus Ägypten, Tunesien, Jemen, Libyen und in Syrien bestätigt; aber der Weg des Wandels wurde eingeschlagen, trotz all der Wunden und Schmerzen, die ihn säumen. Ein Weg ohne Hindernisse führt vermutlich nirgendwo hin. Es lohnt sich also, im Kampf um Gerechtigkeit auszuharren: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du“ sagte Mahatma Ghandi.

Die Vollziehung des Wandels und der Aufstieg der arabischen Gesellschaften zu Rechts- und Freiheitsstaaten erfolgen nicht immer vorbildlich. Es gibt viele Hindernisse und Verzerrungen. Das, was sich geändert hat, ist deutlich zu sehen, aber es ist auch klar, was sich bis heute nicht geändert hat. In der Tat, während der arabischen Revolution gab es auch radikalisierende Tendenzen und viele Fehler. Die Kritik, die damit zusammenhängende Verunsicherung, ist groß, doch schon George Bernard Shaw sagte: „Ein Leben, das jemand damit verbringt, Fehler zu machen, ist nicht nur ehrenvoller, sondern auch nutzbringender als ein Leben, das mit Nichtstun verbracht wird.“

Hunderte und Tausende von Menschen haben nun die Verantwortung auf sich genommen und das Schweigen gebrochen. Sie schwören, niemals zurückzukehren. Razan Zaitouneh und all ihre Mitstreiter, jene gewissenhafte junge Syrerinnen und Syrer, die die Beerdigung der Tyrannei in ihrem Land auf sich nahmen, und das damit verbundene Leid, den Schmerz und den Verlust ertragen. Sie, und die Rolle, die sie bei dem derzeitigen Wandel spielten, werden in die Geschichtsbücher eingehen. Sie werden ein Leuchtturm sein für alle nachfolgenden Generationen. Ich grüße Razan und alle ihre Kolleginnen und Kollegen und wir danken ihnen für ihren Mut, der Sieg wird zweifellos bald kommen.

Meine Damen und Herren, wenn wir Razan Zaitouneh heute hier ehren, ehren wir in ihr auch alle jene mutigen jungen Frauen und Männer, die wesentlich zu den arabischen Revolutionen beigetragen haben. Gleichzeitig möchten wir auch den tausenden Verletzten, Gefangenen, Verfolgten und Flüchtlingen, ihren Familien und Freunden unser Mitgefühl ausdrücken. Wir hoffen, dass ihr Kampf belohnt wird und ihr Leiden bald ein Ende hat.

An dieser Stelle möchten wir uns auch herzlich bei den Mitgliedern der diesjährigen Jury bedanken, die uns als externe, vom Verein unabhängige Berater ehrenamtlich zur Verfügung standen und die die Trägerin unseres 14. Preises aus insgesamt 26 Kandidaten aus 5 Ländern (vorwiegend aus Syrien und Ägypten) auswählte. Zur Jury gehörten der tunesische freie Journalist Taoufik Ben Brik, der palästinensische Journalist und Medienexperte Aref Hijjawi, die libanesische TV-Journalistin Gisele Khoury, die ägyptische Schriftstellerin und Sprach- und Literaturwissenschaftlerin Miral al-Tahawy und die syrische Journalistin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin Samar Yazbek. Mehr Informationen zu den Jurymitgliedern finden Sie auf der Webseite des Funds in mehreren Sprachen.

Der Schwerpunkt der Arbeit des Ibn Rushd Funds besteht darin, diese freien Denker in der arabischen Welt, Impulsgeber, Pioniere, Anstoßer entwicklungsfördernder Initiativen, Menschen mit Zivilcourage, zu fördern. Dies geschieht in erster Linie durch die Verleihung des Ibn Rushd Preises, und durch eine wirkungsvolle Medienarbeit. Der Fund will diesen Vorreitern eine Plattform verschaffen, um ihnen die gebührende Aufmerksamkeit und Würdigung zu geben, die sie verdienen, denn es sind oft diese Einzelkämpfer, die Veränderungen bewirken, die die Menge bewegt und vorantreibt. Wir verstehen unseren Preis auch als Preis von Bürgern für Bürger. Schließlich wird der Preis auch von Bürgerinen und Bürgern, von unseren Mitgliedern und Unterstützern, finanziert.

Auch unsere Preisträgerin ist eine solche verantwortungsvolle engagierte Bürgerin. Nicht nur setzt sie sich mit Leib und Seele für die Freiheit ihres Volkes ein. Sie hat beschlossen, das Preisgeld an syrische Bibliotheken zu stiften. Wir möchten ihr dazu helfen, die Summe für dieses schöne Projekt aufzustocken, da es eine Investition im Sinne des Vereins ist. Eine Spendenbox ist hierfür angelegt. Wenn Sie sich daran beteiligen möchten und Geld für Bibliotheken spenden möchten, können Sie das im Anschluss an diese Feier tun; oder auch im Nachhinein per Überweisung auf unser Konto unter Angabe des Zwecks.

Kurz möchte ich – bevor ich das Wort an Prof. Steinbach weitergebe – noch auf einige besondere Aktivitäten des Funds im Jahr 2012 aufmerksam machen, die wir zusätzlich zur Preisverleihung und zu unseren gewöhnlichen Kampagnen und Petitionen und unserer Internet-Zeitschrift, in der vor allem Transformationsprozesse in der arabischen Welt zwischen Tradition und Moderne behandelt und diskutiert werden, gestartet haben. Im letzten Jahr wurden die Ibn Rushd Lectures ins Leben gerufen, Vorträge, die dazu beitragen wollen, den Blick, den Europa und die arabische Welt auf sich selbst und den jeweils anderen haben, aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und so althergebrachte Überzeugungen und Gewissheiten in Frage zu stellen, und den Kopf für neue Ideen zu öffnen. In diesem Jahr starteten außerdem ein Pilotprojekt in Palästina, bei dem eine Schule für Mädchen und eine Schule für Jungen in Zusammenarbeit mit Journalisten eine Schülerzeitschrift herausgeben, mit dem (Lern-)Ziel, sich mit aktuellen Themen kritisch und frei auseinanderzusetzen. Wir werden die Möglichkeit einer Erweiterung unserer Aktivitäten eruieren. Dies hängt jedoch weitestgehend von unseren finanziellen Kapazitäten, von der Großzügigkeit unserer treuen Spender, ab. Auch hierfür sammeln wir heute Spenden. Eine Spendenbox steht wie immer am Eingang des Saals bereit.

Abier Bushnaq

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Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought

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