Pressemitteilung: Ibn Rushd Preis 2000

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Pressemitteilung: Emanzipation der Frau in der arabischen Welt – Wunschtraum oder realistische Perspektive? Ibn Rushd Preis für Freies Denken wird in Berlin an palästinensische Frauenrechtlerin verliehen

Am 9.12.2000 wird zum zweiten Mal der Ibn Rushd-Preis für Freies Denken vergeben. Der Ibn Rushd Fund für Freies Denken hat sich – ganz in der Tradition seines Namenspatrons, dem Philosoph und Wissenschaftler Ibn Rushd (1126-1198, auch bekannt als Averroes) – die Unterstützung des Freien Denkens und der Demokratie in der arabischen Welt zur Aufgabe gemacht. Mit dem Preis ausgezeichnet wird in diesem Jahr eine Persönlichkeit, die sich besonders eingesetzt hat für die Rechte der Frau in der arabischen Welt. Eine unabhängige Jury, bestehend aus namhaften arabischen Persönlichkeiten, erkannte den Preis der palästinensischen Frauenrechtlerin Issam Abdulhadi zu.

Über den Bildern aus Presse und Fernsehen, die nur mehr oder minder tief verschleierte Frauen zeigen und für westliche Augen von der Unterdrückung der Frau in der arabischen Welt zeugen, wird allzu oft der Kampf der dortigen Frauen um Souveränität übersehen. Ein Sonderfall sind hier die palästinensischen Frauen, die nicht nur um Souveränität für ihr eigenes Leben streiten, sondern auch um die für ihr Volk. Für sie sind beide, Frauenfrage und nationale Frage, untrennbar miteinander verknüpft. Wie sehr, zeigt sich gerade derzeit in der scheinbar ausweglosen Lage zwischen Palästina und Israel. Diese wirkt sich, wie so oft, auch und besonders auf das Leben der Frauen aus, denen ein Weg in ein selbstbestimmtes Leben wenn nicht durch traditionelle Bestimmungen, so doch spätestens durch politisch bedingte Einschränkung der Bewegungsfreiheit verwehrt ist.

Eine Emanzipation nach europäischem Vorbild, so wie sie im 20. Jahrhundert bis in die späten siebziger Jahre von den Frauen der oberen Schichten in der arabischen Welt von Irak bis Marokko gelebt wurde, scheint unvereinbar mit der eigenen konservativ interpretierten religiösen Tradition und gesellschaftlichen Sitten und Ansprüchen.

Anders als im westlich geprägten Feminismus ist den Forderungen der palästinensischen Frauenrechtlerinnen nicht der Kampf für das individuelle Streben nach Selbstverwirklichung an erster Stelle, wichtig ist stets auch der Gedanke an das Leben der Frau in der Familie und deren Wohl. Dies widerspiegelt die reale Lebenssituation der palästinensischen Frau, die es hier und jetzt zu verbessern gilt: ein Feminismus der kleinen Schritte, der Maximalforderungen hintanstellt.

Auch die 1928 in Nablus geborene  Issam Abdulhadi ist eine solche „realistische Feministin“, die sich zunächst um lokale soziale Belange kümmerte, die konkreten Lebensbedingungen der palästinensischen Frauen verbessern wollte. Wie für alle palästinensischen Frauen steht auch für sie beim Kampf um Gleichberechtigung immer und an vorderster Stelle auch die Forderung nach nationaler Unabhängigkeit. Und so ergeben sie sich dann doch ganz von selbst, die Maximalforderungen – denn was liegt näher, als die gesetzliche Verankerung der Gleichberechtigung der Frau im zukünftigen palästinensischen Staat zu fordern? Diese Forderungen unterbreitete sie 1988 als Präsidentin der Generalunion Palästinensischer Frauen.

Abdulhadi setzte sich stets für Veränderungen im Hier und Jetzt ein – so organisierte sie zahllose Demonstrationen und Sitzstreiks, verfasste Protestnoten und hielt Reden. Alle diese Aktionen wandten sich gegen die Situation der palästinensischen Frauen unter israelischer Besatzung. Solche Konsequenz hat Folgen: nach mehrmonatiger Inhaftierung wurde sie bereits 1969 von Israel des Landes verwiesen. Sie lebt seitdem in Jordanien.

Eine unabhängige Jury, bestehend aus fünf namhaften arabischen Intellektuellen, (Hisham Sharabi, Universität Georgetown, Washington; Farida an-Naqqash, Journalistin und Literaturkritikerin, Kairo; Ali Ahmed Attiga, Generalsekretär des Arab Thought Forum, Amman; Sahar Khalifa, Schriftstellerin, Amman; Nabeeha Loutfy, Regisseurin und Filmkritikerin, Kairo) wählte Issam Abdulhadi zur diesjährigen Preisträgerin des Ibn-Rushd-Preises für Freies Denken. Abdulhadi weiss sich auf dem Minenfeld aus gesellschaftlichen Ansprüchen und religiösen Forderungen seit Jahrzehnten zu bewegen und die verschiedenen Fraktionen der palästinensischen Frauenrechtsgruppen zu vereinen und stets das möglichste für die Frauen zu erreichen. Den Preis wird sie am 9.12.2000 um 11.00 Uhr im Literaturhaus in der Fasanenstrasse entgegennehmen.

Die Namen der Jury, sowie eine kurze Vita der einzelnen Personen, sind auf Anfrage erhältlich.
Ebenso sind weitere Informationen zur Preisträgerin sowie zum Ibn-Rushd-Fund erhältlich (Foto der Preisträgerin).

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