Pressemitteilung 2

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Pressebericht: Die Verleihung des Ibn Rushd Preises an Rim Banna

15. November 2013, 19 Uhr –
Mschatta-Saal im Pergamonmuseum, Museumsinsel Berlin

Am Abend des 15. November 2013 füllte sich der von beeindruckenden umayyadischen Steinreliefs umgebenen Mschatta-Saal mit einem gemischten Publikum aus verschiedenen Ländern, das trotz seiner Vielfalt durch die gemeinsame Botschaft verbunden war, die der Ibn Rushd Fund durch die jährliche Verleihung seines Preises an Vorkämpferinnen und Vorkämpfer der arabischen Renaissance aussendet. Es ist der Glaube an das Freie Denken, an die Demokratie und die Würde des Menschen als Voraussetzungen für eine Renaissance, die es der arabischen Welt ermöglicht, an der globalen Kultur auf breiter Ebene teilzuhaben und am Aufbau einer freien zivilen Gesellschaft in einem sozialen Rechtsstaat beizutragen; einem Staat der Bürger, nicht der Untertanen.

Dr. Sami Ibrahim betonte in der Begrüßungsrede des Funds die Bedeutung von Musik. „Singen bedeutet nicht Beherrschung von Harmonie, die richtige Präsentation und Aneinanderreihung von Worten. Worte sind das Gefäß unserer Gedanken, der Grundstein des Schiffs der Freiheit, mit dem wir – als Ausdruck unserer Menschlichkeit – bis an die Grenzen des Möglichen segeln. Es ist eine Verständigung in allen Zeiten. Denn Sprache hat keine Grenzen, und auch Musik hat keine Grenzen. Wir erinnern uns gegenseitig an Dinge, die bekannt sind und manches Mal auch an Dinge, die verboten sind.“ – „So viele Zivilisationen erblühten an den Ufern der Flüsse der Kreativität, aus denen noch Generationen ihren Durst stillten. Aber wie oft schon trockneten die Flüsse aus, ihr Wasser getrübt von der Tinte der Dekonstruktion und Zerstörung.“ – „Mit der Vertonung der Worte strömen Gedanken in einer für den Geist erquickenden Harmonie.“

„Daher wurde der Preis ausgeschrieben, um den Worten und der Musik Ehre zu erweisen, die an den Menschen, an seine Freiheit und Würde appellieren und seinen Ehrgeiz herausfordern. Dies alles finden wir in der Arbeit und dem künstlerischen Werk von Rim Banna verkörpert.“

Die Preisträgerin wurde aus einer Liste von Nominierungen – 18 Kandidaten aus acht arabischen Ländern – von einer unabhängigen, vierköpfigen Jury gewählt. Mitglieder der Jury 2013 waren der tunesische Sänger, Oud-Spieler und Komponist Lotfi Bouchnak, der Palästinenser Prof. Ghawi Ghawi (Professor für Musik und ehemaliger Dekan der School of Fine Arts der Universität Najah in Nablus/West Bank), der Komponist und Pianist Malek Jandali aus Syrien und der irakische Oud-Spieler und Musikschuldirektor Naseer Shamma.
Volltext der Begrüßungsrede des Funds siehe: Begrüßungsrede des Vereins

In seiner Laudatio erzählte der norwegische Plattenproduzent und Lyriker Erik Hillestad von seiner ersten Begegnung mit Rim Banna. Er war 2002 durch Palästina gereist auf der Suche nach Wiegenlieder für sein Projekt der ‚Lullabies from the Axis of Evil‘, seine Antwort auf George W. Bushs Bezeichnung einiger Länder als die ‚Achse des Bösen‘. Dann hatte er über Suhail Khoury von den Kinderliedern von Rim Banna gehört und war durch ihr Singen gleich beeindruckt, Nach diesem Projekt, an dem Rim teilnahm, folgten zwei weitere Projekte, eine Weihnachtsplatte mit einem norwegischen Chor und das Soloalbum ‚Mirrors of my Soul‘, für das Rim eigene Melodien zu Gedichten komponiert hatte, von denen viele aus der Feder ihrer Mutter Zuhaira Sabbagh waren. Dies war der Beginn einer langanhaltenden Zusammenarbeit,

Erik Hillestad drückte offen seine Bewunderung für Rim Banas Mut aus, deren Herausforderung gerade die ist, dass sie „die Rolle des Opfers in keiner Weise“ erfülle. „Die Schönheit und die Stärke ihrer Stimme zwingen uns zu verstehen, dass das palästinensische Volk voller Stolz und Kraft ist, und über ein umfangreiches Erbe und eine große Identität verfügt.“ Aus diesem Grund sieht er Rim als eine besonders wichtige Sprecherin ihres Volkes.

Ihre ganze Karriere hindurch habe sie mit Entschiedenheit und Nachdruck über die israelische Besatzung ihrer Heimat gesprochen und viele furchtlose Schritte unternommen, bei denen sie sich furchtlos den Zwängen der Besatzung widersetzt hat. Obwohl sie in vielen Ländern ihr Publikum eine tiefe Zuneigung spüre, empfinde sie dies insbesondere für die Menschen, die unter der Bürde der Besatzung in der West Bank, in Gaza und in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer leben. Viele Male habe sie trotz Verbots die Flüchtlingslager im Westjordanland besucht, um für die Kinder dort zu singen, und hat verschiedene Konzerte unter sehr schwierigen Bedingungen gegeben, sogar unter dem Risiko, von israelischen Soldaten verhaftet, verletzt oder schikaniert zu werden. Und obwohl sie Gaza nie besuchen durfte, war es ihr gelungen, dort ein Konzert für ein Publikum von 500 zu geben, indem sie eine Fernsehübertragung aus ihrem Haus einrichtete. Das Publikum konnte sie in einem Veranstaltungsort in Gaza City auf einem großen Bildschirm sehen, und Rim konnte das Publikum live auf einem Bildschirm bei sich zu Hause sehen. Hillestad schilderte den sehr bewegenden Augenblick, wie Rim und ihr Publikum zeitgleich gemeinsam über die Bildschirme ‚Wir können die Belagerung durchbrechen!‘ gerufen haben.

Erik Hillestad fuhr fort zu berichten, wie Rim bereits frühzeitig den revolutionären Geist, der in den arabischen Ländern wuchs, zu spüren und verstehen vermochte. Sie reiste nach Tunesien und Ägypten, um dort spontane Konzerte in den Straßen und auf den Plätzen zu geben, und so ihre Unterstützung zu bekunden. Für die Menschen im Libanon trat sie über Skype auf, und bereits zu Beginn des Aufstands in Syrien drückte sie sehr klar ihre Unterstützung aus, und wurde dafür von Anhängern des syrischen Regimes heftig angegriffen. Er schilderte, wie sie 2013 drei Stunden lang von der israelischen Polizei verhört wurde, weil sie an einem humanitären Konvoi teilgenommen hatte, der von der türkischen Grenze nach Syrien ging. Als die Israelis ihr mit Gefängnisstrafe drohten, soll sie erwidert haben, “die einzige, die entscheidet, ob sie nach Syrien reist, sie selbst ist, und niemand sonst.“

Erik Hillestad erzählte, wie überrascht er war, als sich Türen auftaten in Ländern wie Libanon, Ägypten, Syrien und Tunesien, nur dadurch, dass er Leuten erzählte, er sei der Produzent von Rim Bannas Platten, ein offenbares Zeichen, dass sie sehr respektiert und geschätzt wird als eine der wichtigsten Freiheitskämpferinnen des palästinensischen Volkes und der arabischen Welt als Ganzem. „Ihre Integrität und die Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit ihres politischen Kampfes scheint jedem beindruckend beständig und vertrauenswürdig.“

Er betonte auch, dass die Kinderlieder, die Rim schrieb und herausbrachte, zwar überhaupt nicht politisch seien, aber es dennoch ein politischer Akt sei, sie zu singen, da sie die Stärke und die Würde des palästinensischen Volkes zeigen würden.

Schließlich schilderte er, wie sich Rim während ihrer Erkrankung an Krebs selbst motivierte, indem sie ihre Krankheit als Metapher für die Besatzung ansah, und wie die ganze Situation sie in ihrem Kampf für Freiheit durch ihre Kunst und ihre solidarischen Akte nur noch entschlossener machte. Es ging so weit, dass sie im Oktober 2011 mitten in der Chemotherapie einen Hungerstreik begann, um ihre Unterstützung für die Gefangenen in israelischen Gefängnissen auszudrücken. Niemand konnte sie davon abbringen. Erst die Mütter der Gefangenen konnten sie schließlich davon überzeugen, den Hungerstreik abzubrechen.
Volltext der Laudatio siehe Laudatio: Erik Hillestad

Nach Überreichung des Ibn Rushd Preises trat Rim Banna ans Podium. Sie begann zu erzählen, wie sie zufällig zur Musik kam: „Als meine Mutter mich überredete, ein altes palästinensisches Wiegenlied zu singen, das sie mir beibrachte, ein Lied, das die Geschichte des Leidens der palästinensischen Mütter unter der Besatzung und Unterdrückung und vom Leben als Flüchtling in der Fremde erzählt – ich war sechzehn Jahre alt – konnte ich damals noch nicht ahnen, dass dieses Wiegenlied der Schlüssel zu meinem künstlerischen, politisch engagierten Werdegang werden sollte. Es wurde von Dorf zu Dorf und Stadt zu Stadt weiter getragen. Das Wiegenlied wurde mit meinem Namen verbunden.“

Sie stellte klar, dass sie nicht ausschließlich Künstlerin sei, die auf Bühnen auftritt und für die Menschen singt, um ihnen Freude zu bereiten, sondern sich ihr ganzes Leben lang bemüht habe, ihre Hörer zu motivieren, nicht neutral zu sein, „sondern, und wenn auch nur für einen Moment, darüber nachzudenken, was auf der anderen Seite der Welt passiert.“ Ihr eigentliches Anliegen waren die Geschichten hinter ihren  Songs. Sie wolle der Welt das Leiden der Palästinenser unter der Besatzung vermitteln.

Sie erzählte, dass die Reaktionen auf ihre Unterstützung der arabischen Revolution nicht immer positiv waren.  Wegen ihrer klaren Haltung und Unterstützung für freiheitsbezogene Themen wurde sie inoffiziell von einigen Festivals boykottiert und von Sicherheitsdiensten verhört.
Rede der Preisträgerin Rim Banna im Volltext siehe Rede der Preisträgerin

In der  offiziellen Begründung des Funds heißt es:
Rim Banna erhält den Ibn Rushd Preis für Freies Denken für ihre musikalische Arbeit, in der sie sich mit Freiheit und Bürgerrechten befasst, und diese fordert. Rim Bannas kreative Umsetzung kritischen Gedankengutes verbreitet dieses in beispielhafter Weise.

Die Feier wurde umrahmt von Musikeinlagen von Bakri Maslmani und Serdar Saydan (mit Kanun, Darbouka und Riqq) und schloss mit 5 Liedern von Rim Banna, die sie in Begleitung des Gitarristen Dirk Feistel – ohne aufwändiges Einüben – spontan vortrug. Es war der Höhepunkt der Veranstaltung und Rim Bannas persönliches Geschenk an das Berliner Publikum.

Preisverleihung in Fotos Ibn Rushd Preis 2013

Dr. Abier Bushnaq

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